Erstmals seit Jahren sind nach den Mai-Krawallen in Berlin Haftbefehle wegen Mordversuchs gegen mehrere Randalierer erlassen worden. Vier Tatverdächtige sollen Brandsätze gegen Polizisten im Stadtteil Kreuzberg geschleudert haben und sitzen in Untersuchungshaft, so Staatsanwaltschafts-Sprecher Michael Grunwald. unterdessen ist der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist wegen seiner Äußerungen über die Krawalle am 1. Mai heftig kritisiert worden.

Berlin. Der SPD-Politiker hatte die Ausschreitungen mit einer Vergewaltigung verglichen. Politiker von Union und FDP fordern nun eine öffentliche Entschuldigung, die CSU verlangt sogar den Rücktritt des Sozialdemokraten. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat die Krawalle linker Autonomer am 1. Mai mit der Massenvergewaltigung einer Frau verglichen und wird dafür von Politikern der Union sowie der FDP massiv kritisiert.

Mit Blick auf die schweren Auseinandersetzungen hatte der sozialdemokratische Politiker wörtlich gesagt: "Das ist wie bei Sexualdelikten: Ist die Frau erst mal ausgezogen und vergewaltigt, dann fällt es anderen leichter, auch mitzumachen." In der "Bild am Sonntag" räumte Körting später ein, "der Vergleich mag unglücklich sein2. Er habe damit deutlich machen wollen, dass jeder, der die körperliche Integrität eines Menschen so angreife, eine schwere Straftat begehe. "Ob er nun als erster handelt oder es anderen nachmacht, ändert nichts an seinem Vergehen."

Politiker anderer Parteien hatten für Körtings Äußerungen kein Verständnis. "Dieser Vergleich ist abstoßend und ein Skandal", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla der "Bild am Sonntag". Körting müsse sich sofort öffentlich entschuldigen. Nach den Worten von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bagatellisiert Körting mit seiner Äußerung Sexual- und Gewaltstraftaten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ging einen Schritt weiter und forderte den Rücktritt Körtings. Körting müsse sich öffentlich entschuldigen und dann seine Koffer packen, sagte Dobrindt der "Bild am Sonntag". "Solche perversen und unverschämten Parolen sind eines Berliner Senators unwürdig."

Bei den schwersten Mai-Krawallen seit Jahren hatten sich seit Freitagabend im Berliner Stadtteil Kreuzberg rund 2500 meist linke Randalierer stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. 289 Menschen wurden festgenommen. Im vergangenen Jahren war es mit 139 weniger als die Hälfte gewesen. Unter anderem durch Würfe von Steinen, Flaschen oder Böllern wurden 273 Polizisten zumeist leicht verletzt fast dreimal so viel wie 2008.

Insgesamt wurden 44 Haftbefehle gegen Störer erlassen. Zu den weiteren Vorwürfen gehören schwerer Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. Von den 44 Verdächtigen wurden 27 gegen Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt, 17 sitzen in Untersuchungshaft

Zwei Beamte wurden laut Polizei mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und fingen Feuer die Flammen konnten schnell gelöscht werden, die Polizisten blieben unverletzt. Auf mindestens zwei weitere Beamte wurden Brandsätze geschleudert. Vor einer Feuerwache schossen Gewalttäter mit einer Schreckschusswaffe gegen die Scheiben eines Polizeiautos. Ein Beamter erlitt einen "massiven Schock". Insgesamt mussten 14 Polizisten den Dienst vorzeitig beenden.

Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch konstatierte unterdessen eine Zunahme von Gewalt gegen Polizisten. "Die Angriffe gegen Polizei-Beamte sind deutlich stärker gewesen als in den vergangenen Jahren", sagte Glietsch am Sonnabend im Fernsehen. Die Gewalttäter seien "zum Teil mit schweren Waffen gegen Polizisten vorgegangen".

Es habe nicht nur politisch motivierte Gewalt gegeben, sondern eine "grobe Mischung aus Extremisten und Menschen, die Lust an der Randale haben", sagte Glietsch weiter. Er wies Vorwürfe zurück, die Gewalt im Vorfeld des 1. Mai unterschätzt und heruntergeredet zu haben. "Wir haben das Ausmaß nicht unterschätzt. Wir konnten auch nicht ausschließen, das es mehr wird als im Vorjahr", sagte der oberste Polizeichef. Er räumte aber ein: "Die Zahl der Gewalttäter ist höher gewesen als wir erwartet haben."

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, Rainer Wendt, sagte hingegen im ZDF, die Taktik der Zurückhaltung durch die Polizei habe sich nicht bewährt. "Wir können froh sein, dass es keine Toten gegeben hat." Die Berliner Polizei verfolgt seit einigen Jahren ein Konzept der Deeskalation. Dazu gehört, dass keine Wasserwerfer eingesetzt werden sollen wie zum Beispiel in Hamburg. Dafür sollen mehr Straftäter festgenommen werden, um sie zur Verantwortung ziehen zu können.