Außenminister äußert sich in Kabul besorgt über “zunehmend selbstbewusste Taliban“, die den Wiederaufbau gefährden.

Hamburg

Der Außenminister wollte ein Zeichen setzen, dass der Wiederaufbau in Afghanistan vorangeht. Trotz der prekären Sicherheitslage, trotz des Wiedererstarkens der radikalislamischen Taliban. So pflanzte Frank-Walter Steinmeier gleich zum Auftakt seines Besuchs, der bis zuletzt geheim gehalten worden war, im Bagh-e-Babur-Garten in Kabul ein Apfelbäumchen.

Doch kurz darauf raste ein Selbstmordattentäter mit seinem Wagen in der Nähe des deutschen Feldlagers Kundus im Norden des Landes auf einen Konvoi der Bundeswehr zu und zündete einen Sprengsatz. Fünf Soldaten wurden verletzt, diesmal glücklicherweise nur leicht. Am Abend starb bei einem zweiten Anschlag ebenfalls in der Nähe des Feldlagers ein deutscher Soldat, vier weitere wurden verletzt. Die Patrouille war mit Granaten und Gewehren angegriffen worden. Damit sind bereits 32 Soldaten seit Beginn des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan ums Leben gekommen.

Steinmeier hielt sich während der beiden Anschläge in Kabul auf. Der Außenminister verurteilte den Angriff als "feigen und heimtückischen Anschlag". Auch solche Gewalttaten "dürfen uns nicht davon abhalten, unsere Arbeit für eine bessere Zukunft dieses geschundenen Volkes fortzusetzen", betonte der Minister.

"Spiegel Online" berichtete, die Taliban hätten sich nur eine halbe Stunde nach dem Anschlag dazu bekannt und damit geprahlt.

Die Botschaft der Taliban an die in Afghanistan stationierten internationalen Truppen ist klar: Ihr könnt weder euch selbst noch die Menschen schützen. Steinmeier hatte schon nach dem ersten Anschlag von einem Beweis dafür gesprochen, dass auch im eher ruhigen Norden, wo die Bundeswehr im Einsatz ist, die Sicherheitslage "alles andere als einfach ist". Es gebe eine "beunruhigende Entwicklung" mit "zunehmend selbstbewussteren Taliban", die den Wiederaufbau am Hindukusch gefährdeten.

Erst Anfang April hatten die Taliban bei einem ebenfalls geheim gehaltenen Besuch von Kanzlerin Angela Merkel eine Rakete auf das Lager gefeuert. Niemand wurde verletzt. Wie vor drei Wochen teilte ein Sprecher der Taliban auch diesmal mit, der Anschlag sei ein "Zeichen" für den Besucher. Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Thomas Raabe, meinte, es gebe zunächst keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und der Visite Steinmeiers.

Die Taliban befinden sich derzeit in der Offensive. Als Reaktion auf die Präsidentenwahl im August, die einhergeht mit einer massiven internationalen Truppenverstärkung, kündigte Taliban-Vize Mullah Brodar Akhund eine "starke und robuste" Operation an. Ziele der "Operation Nasrat" (Sieg) seien "Militärbasen der Invasoren, diplomatische Zentren, Militärkonvois und Vertreter der Marionettenregierung". Dessen ungeachtet kündigten Australien und Großbritannien weitere Truppenaufstockungen an. Deutschland ist mit 3700 Soldaten drittgrößter Truppensteller. Gegenüber dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai versicherte Steinmeier, dass es bei der deutschen Unterstützung für Afghanistan bleibe. Afghanistan sei darüber "sehr glücklich", so Karsai. Er sagte zudem eine Überarbeitung der umstrittenen Eherechtsreform für die Schiiten zu. Das Gesetz, das Ehemännern de facto die Vergewaltigung ihrer Ehefrauen erlaubt, werde geändert, sagten Vertreter aus Steinmeiers Delegation. Am 10. Mai wird Karsai in Berlin erwartet.