Koch-Herausforderer fordert Zwangsanleihe für Vermögende. Beifall von Links, Kritik von den Grünen.

Berlin. Mit diesem Vorschlag hat Thorsten Schäfer-Gümbel, Spitzenkandidat der hessischen SPD, für Aufruhr gesorgt: Jeder Bürger mit einem Vermögen von mehr als 750 000 Euro soll dem Staat zwei Prozent dieses Geldes für 15 Jahre leihen - egal, ob es sich um Bargeld oder ein Immobilienvermögen handelt. Angesetzt werden könne dabei ein Zinssatz von maximal 2,5 Prozent, regte der SPD-Mann in "Bild" an. Eine solche "staatliche Zwangsanleihe" sei ein "schnell wirksames Instrument, um zusätzliches Geld für die Bewältigung der Wirtschaftskrise zu mobilisieren", argumentierte der Politiker, der nach der vorgezogenen Neuwahl in Hessen am 18. Januar dem amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) ablösen will. Der Vorschlag sei sehr gerecht, weil nur "Besitzer großer Vermögen" betroffen wären.

Eine Zwangsanleihe für alle Reichen? Beifall für diesen Vorstoß von Schäfer-Gümbel gab es gestern vor allem vom linken Flügel seiner Partei - und von den Linken selbst. "Thorsten Schäfer-Gümbel greift einen Vorschlag der Linken auf und kommt so zu einer realitätstauglichen Politik", sagte der stellvertretende Fraktionschef der Linkspartei, Bodo Ramelow, dem Abendblatt. "Es ist gut, wenn jetzt auch die hessische SPD endlich erkennt, dass die Reichen und Vermögenden ihren Teil zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten müssen."

Zuspruch kam auch von Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD. Er sagte dem Abendblatt: "Vorschläge, die zu einer Refinanzierung der Finanzkrise und der Steuerbelastungen der Zukunft durch Belastung der Reichen und Vermögenden beitragen, begrüße ich". Allerdings gelte es, Details zu durchzudenken: "Hier muss erst einmal der Grundsatz geklärt werden. Einzelheiten folgen später."

Ganz anders die Position der Grünen - des umworbenen Koalitionspartners der SPD in Hessen. Finanzexpertin Christine Scheel sagte dem Hamburger Abendblatt: "Vermögensabgaben, wie sie Herr Schäfer-Gümbel vorschlägt, sind reiner Populismus. Zum einen wäre der bürokratische Aufwand sehr hoch, zum anderen würde es die Falschen treffen, etwa Handwerksbetriebe oder kleine Automobilzulieferer, die Immobilien besitzen." Die Erfahrung zeige: "Die Großen würden sich künstlich arm rechnen und wieder entziehen, wie das schon bei der Vermögenssteuer geschah."

Auch bei Union und FDP stieß der Vorschlag auf Ablehnung. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, kritisierte: "Mit Neid werden wir die Rezession nicht bekämpfen können." Er interpretierte die Äußerungen des Hessen gegenüber "Spiegel Online" als "Ausdruck für die Orientierungslosigkeit der Sozialdemokraten auf dem Weg weg von der Regierungsfähigkeit".

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke mahnte, die Anleihe würde genau diejenigen Investoren vertreiben, die in den kommenden Monaten dringend gebraucht würden: "Hier wird der Versuch gemacht, kurz vor der Hessen-Wahl noch billigen Applaus von links zu bekommen - dies jedoch geht auf Kosten des Standorts Deutschland." Aus Peer Steinbrücks Finanzministerium hieß es nur, die notwendigen Vorschläge zur Bekämpfung der Konjunkturkrise werde die Große Koalition Anfang kommenden Jahres treffen. Es sei daher sinnlos, einzelne Vorschläge hier zu bewerten - so ein Sprecher des Ministeriums mit Blick auf die Koalitionstreffen Anfang und Mitte Januar. Auch Vizeregierungssprecher Thomas Steg bügelte den Vorschlag ab: "Gehen Sie mal davon aus, dass es Gründe gibt, dass niemand in der Bundesregierung auf dieses Instrument gekommen ist", sagte er.