Partei reagiert einsilbig: “Wir kommentieren unseren Altkanzler nicht.“ Merkel: Reaktoren sollen länger am Netz bleiben.

Hamburg. Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hat die Debatte um eine mögliche Abkehr der SPD vom Atomausstieg neu entfacht. Die Sozialdemokraten werden nach seiner Einschätzung langfristig vom beschlossenen Atomausstieg wieder abrücken, sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". "Diese Wende ist im Augenblick nicht dringend notwendig, aber irgendwann wird sie kommen." Schmidt sagte, er finde es erstaunlich, "dass unter allen großen Industriestaaten der Welt - von den USA bis China, Japan und Russland - die Deutschen die Einzigen sind, die glauben, sie könnten ohne Kernkraft auskommen. Wir haben praktisch unseren Kohlebergbau aufgegeben, wir haben so gut wie kein Öl in unserem Boden, auch nicht vor unseren Küsten." Es liege deshalb nahe, dass Deutschland einen Teil seiner Energie aus Kernkraft beziehe. Der Altkanzler räumte zwar ein, dass die Kernkraft "ihre Risiken" habe. Doch gebe es "keine Energie und nichts auf der Welt ohne Risiken, nicht einmal die Liebe". Schmidt hatte sich bereits in seiner Zeit als Bundeskanzler massiv für Kernkraftwerke eingesetzt.

In der Berliner SPD-Parteizentrale wollte niemand zu den Äußerungen Stellung nehmen. "Wir kommentieren unseren Altkanzler nicht", sagte ein Sprecher. Die SPD-Führung war zuletzt vehement Vermutungen entgegengetreten, sie könne längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke zustimmen, wenn der Atom-Ausstieg im Gegenzug im Grundgesetz verankert werde.

Unterdessen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer traditionellen Pressekonferenz vor der Regierungssommerpause ihre Forderung nach längerer Nutzung der Atomenergie bekräftigt und eine baldige Lösung für ein Atommüll-Lager verlangt. Angesichts der steigenden Energiepreise und knapper werdender Rohstoffe sollten die deutschen Atomkraftwerke länger am Netz bleiben. Sie halte die aktuell gültige Planung für falsch, dass Deutschland in zwölf Jahren aus der Kernenergie aussteigt. Es sei keine Lösung, den dann fehlenden Strom aus dem Ausland zu importieren. Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen solle weiter auf seine Eignung als Endlager für stark strahlende Nuklearabfälle überprüft werden. Vielleicht habe aber nicht jeder das Interesse, dass man dabei vorankomme, sagte Merkel ohne Nennung der SPD.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hat vorgeschlagen, die Probleme im Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel mithilfe eines neuen Bundesgesetzes zur Schließung des früheren Salzbergwerks zu lösen. Verfassungsrechtlich sei das machbar, sagte er. Das Bundesumweltministerium wies den Vorstoß als "vorschnell" zurück.