Es klingt wie aus einer anderen Welt: Der Mann hatte das letzte Wort in allen wichtigen Fragen. Und wenn er nicht wollte, durfte sie keinen Beruf ausüben, kein Konto eröffnen und nicht mal eine Badezimmer-Garnitur aussuchen.

Deutschland nach dem Krieg. Allmählich atmen die Menschen auf. Jeder ist froh, endlich wieder Mehl, Milch, Butter und Ofenholz zu bekommen. Kriegsheimkehrer fassen wieder Fuß. Die Frauen, die sie in Betrieben und Behörden ersetzt haben, sollen an den Herd zurückkehren. In den Köpfen herrscht das alte Bild: Wenn Vater 48 Stunden pro Woche arbeitet und Mutter sich daheim um den Rest kümmert, wird alles wieder gut.

Da ist es schon eine kleine Revolution, dass 1949 ein kurzer, kompromissloser Satz seinen Weg ins Grundgesetz findet: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Nach heftigen Debatten erreicht die Juristin Elisabeth Selbert im Parlamentarischen Rat, dass die 61 Väter und vier Mütter des Grundgesetzes diesen Artikel 3 einstimmig verabschieden. Selbert hat 1934 miterlebt, wie die Nazis die Zulassung von Anwältinnen und Richterinnen verboten, weil das einem "Einbruch in den altgeheiligten Grundsatz der Männlichkeit des Staates" gleichkomme. Eine solche Diskriminierung will die Sozialdemokratin Selbert nie wieder erleben. "Ich hatte nicht geglaubt, dass 1948/49 über die Gleichberechtigung überhaupt noch diskutiert werden müsste", sagt sie später.

Dabei soll der stärkste Widerstand erst noch kommen. Denn nun muss das alte, seit 1896 geltende Familienrecht dem Gleichheitsgrundsatz angepasst werden, und zwar bis zum 31. März 1953. Die erste Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) ist absolut nicht begeistert von der Vorstellung, mit der Gleichberechtigung Ernst zu machen. Denn im alten Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird die patriarchalische Ordnung aufs Schönste zementiert.

Am deutlichsten mit dem Entscheidungsrecht des Mannes: Ihm steht das letzte Wort "in allen das gemeinsame eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu" (§ 1354). Wenn er sagt: Wir ziehen nach Köln, dann wird nach Köln gezogen. Die Frau liefert einen Scheidungsgrund, wenn sie nicht mitzieht - und verwirkt damit auch ihr Recht auf Unterhalt.

Haushaltsführung: Die Frau ist "berechtigt", vor allem aber "verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten". Zusätzlich ist sie zu Arbeiten "im Geschäfte des Mannes verpflichtet", so weit dies in ihren Verhältnissen "üblich ist" (§1356). Ein Recht auf eigenständige Berufstätigkeit hat sie nicht: Der Mann kann sie ihr verbieten, wenn er meint, dann komme das Essen zu spät auf den Tisch.

Vermögen: Nach der Heirat ist das gesamte Vermögen der Frau "der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen" (§1363) - egal, ob sie es in die Ehe mitgebracht hat oder in der Ehe erwirbt. "Ihr Mann konnte sie zu Fuß gehen lassen und ihr Auto selbst fahren, ihr Haus vermieten oder umbauen lassen und mit ihrem Lottogewinn Aktien kaufen und den Gewinn einstreichen", schreibt Ursula Neumann in ihrem wunderbar anschaulichen Buch "Ohne Jeans und Pille" über die 50er-Jahre. Der Mann braucht die Zustimmung der Frau dafür nicht, er muss ihr nur Auskunft geben. Umgekehrt braucht die Frau seine Zustimmung, auch wenn sie bloß ein Sparkonto eröffnen will. "Ich traute mich nicht mal, von unserem Konto Geld abzuheben", erzählt eine Bekannte (72), "da wurde man auch auf der Sparkasse komisch angeguckt. Geld war Männersache."

"Schlüsselgewalt": Die Frau ist berechtigt, "innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten". Sie ist also quasi seine Geschäftsführerin. Aber: "Der Mann kann das Recht der Frau beschränken oder ausschließen." Er kann ihr sogar die Schlüssel wegnehmen und das Haushaltsgeld streichen. Eine Inspektorengattin darf zum Beispiel nicht eigenmächtig eine Badezimmergarnitur kaufen, wird 1957 in einem Urteil festgestellt (Gehört das Bad nicht zu ihrem "Wirkungskreis"?).

"Elterliche Gewalt" hat allein der Mann: Er entscheidet über Namen, Konfession und Schule der Kinder. Er kann verbieten, dass die Tochter studiert, wenn sie doch eine Lehre machen könnte. Selbst bei lebensbedrohlichen Situationen "mussten Ärzte nicht auf die händeringende Mutter hören und operieren, sondern erst den Vater erreichen", schreibt Ursula Neumann.

Sorgerecht: Eine verwitwete oder geschiedene Mutter verliert das Sorgerecht für ihre Kinder, wenn sie sich neu verheiratet. (Ein Witwer oder geschiedener Mann natürlich nicht.) "Verdummt man denn durch Heirat derart, dass man nun nicht mehr imstande ist, seine Kinder zu erziehen?", erkundigt sich die FDP-Abgeordnete Dr. Marie Elisabeth Lüders süffisant im Bundestag.

Es gäbe für die Adenauer-Regierung also eine Menge zu reformieren. Aber die will nicht. Es beginnt ein wahrer Feldzug gegen die Gleichstellung.

Grundsätzlich habe der Mann und Vater "die Verantwortung als Haupt der Ehefrau und der Familie"; wer das leugne, "stellt sich in Gegensatz zum Evangelium und zur Lehre der Kirche", empören sich die deutschen Erzbischöfe und Bischöfe im Januar 1953 in einem Hirtenwort zum Familienrecht. Auch die etwas zurückhaltendere evangelische EKD ist überzeugt, dass "die Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber in der Ehe" ein "Wesenszug der christlichen Ehe" überhaupt sei. Juristen pochen in Aufsätzen auf die Autorität: "Bei den Massen zieht der Geist der Achtung vor der öffentlichen Autorität nur ein, wenn das heranwachsende Geschlecht die volle Autorität der Familie durchempfunden hat. Daher ist die hierarchische Ordnung der Familie ein Gebot der Vernunft" (1950).

Zwischen den Geschlechtern gebe es"natürliche und funktionale Unterschiede", die man per Gesetz nicht einfach aufheben könne - diese Auffassung von Soziologen, Theologen, Juristen und Ärzten prasselt wie Dauerhagel auf die Öffentlichkeit ein. Marie Elisabeth Lüders kontert, Unterschiede seien ihrer Meinung nach kein Grund zur Rechtsungleichheit, "aber vielleicht liegt das an der funktionalen Andersartigkeit meines Gehirns".

Das Justizministerium beauftragt mit der Reform des Familienrechts eine Frau: die resolute Bonner Oberlandesgerichtsrätin Maria Hagemeyer, die 1928 als erste Frau in Preußen zum Richteramt zugelassen wurde. Sie macht 1951 in einer Denkschrift Vorschläge:

Schluss mit der Alleinentscheidung des Mannes: Beide Eheleute sollen in allen ehelichen Fragen gemeinsam entscheiden. In Konfliktfällen könnten sie einen "Ehehelfer" als Schlichter anrufen.

Schluss mit der Schlüsselgewalt des Mannes: Jeder Ehegatte soll Rechtsgeschäfte für den Bedarf der Familie abschließen können, und sie sollen auch für beide verpflichtend sein.

Zur Haushaltsführung: Beide Ehegatten sollen verpflichtet sein, zum gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen. Die Frau darf ihren Beitrag "durch Hausarbeit leisten" - aber sie hat auch das Recht, arbeiten zu gehen.

Im Bundeskabinett herrscht Kampfstimmung. Kanzler Adenauer besteht auf einem "Letztentscheidungsrecht des Mannes" im Gesetzentwurf. Auch in den Ausschüssen wird weiter gefeilscht. So verstreicht die vorgegebene Angleichungsfrist. Am 31. März 1953 tritt eine quasi "gesetzlose Zeit" ein: Das alte Familienrecht ist außer Kraft, ein neues gibt es nicht.

Eine wichtige Akteurin duldet diese Verzögerungstaktik nicht: Erna Scheffler, in der Nazizeit als Anwältin und Halbjüdin diskriminiert und nun die erste Frau im Bundesverfassungsgericht. Unter ihrer Ägide ermuntern die Verfassungsrichter die Gerichte, das Gleichberechtigungsgebot zunächst ohne Gesetz selbst durchzusetzen - in "schöpferischer" Rechtsprechung.

So kommt etwa ein Kläger nicht damit durch, seine Frau per Stichentscheid zum Umzug zu zwingen: Der Wohnort müsse den Interessen beider entsprechen, urteilt ein Gericht. Ein hoher Regierungsbeamter will sein Veto gegen den Namen "Ulrike" für seine Tochter durchsetzen, sie soll "Rotlind Maria" heißen. Dies will jedoch die Mutter nicht zulassen. Laut Urteil des Gerichts in Frankfurt hat die Mutter jetzt das gleiche Recht an der Namensgebung wie der Vater - beide einigen sich schließlich auf "Gerda Agathe". Ein anderes Gericht weist eine Mutter ab, die die Konfession ihres Kindes allein bestimmen will: Auch über die Taufe bestimmen jetzt beide Eltern.

1956 laufen SPD, Gewerkschafterinnen, Deutscher Frauenring, Akademikerinnenbund und weitere Frauenverbände gegen das männliche Vorrecht des Stichentscheids Sturm. Auch einige CDU-Politikerinnen wie die evangelische Oberkirchenrätin Elisabeth Schwarzhaupt sind dagegen. Vergeblich warnt CDU-Familienminister Joseph Wuermeling davor, Familienmütter mit freien Entscheidungen zu überfordern; in der Frauenarbeit sieht er gar den Beginn einer "brutalen Sowjetisierung der Frau". Aber im November 1956 sorgt Elisabeth Schwarzhaupt mit einem Abstimmungstrick dafür, dass der Ausschuss "Familienrechtsgesetz" den Stichentscheid mit 8:7 Stimmen ablehnt. Und kurz darauf stimmt auch der Bundestag mit 186 zu 172 Stimmen dagegen. Eine der letzten Bastionen männlicher Vorherrschaft ist geschleift.

Das reformierte Familiengesetz, durch Maria Hagemeyer von den gröbsten Vorkriegs-Ungerechtigkeiten befreit, tritt im Juli 1958 in Kraft. Ein Jahr später bringt das Verfassungsgericht auch das männliche Vorrecht der "elterlichen Gewalt" zu Fall.

Elisabeth Selbert führte bis zum 85. Lebensjahr ihre Anwaltskanzlei weiter. Erna Scheffler wirkte als Verfassungsrichterin noch bis 1963 an diversen Entscheidungen zur Gleichstellung der Frau mit. Maria Hagemeyer blieb Amtsrichterin in Bonn. Elisabeth Schwarzhaupt wurde 1961 erste Bundesministerin (Gesundheit). Die Leistung dieser Frauen ist heute fast vergessen: Sie haben sich damals gegen eine überwältigende Meinungsmacht behauptet. Ihre Geschichte zeigt, wie mühselig die ersten Schritte zur Gleichberechtigung waren - und wie viel für die Frauen gewonnen worden ist.