Kritik von Verbraucherschützern und Opposition: Nährwertinformationen nicht nur freiwillig, sondern zwingend vorgeben!

Hamburg. Verbraucher sollen anhand von Signalfarben künftig leichter gesunde und ungesunde Lebensmittel unterscheiden können. Der Bund strebe auf europäischer Ebene eine Kennzeichnung an, bei der Produktangaben mit den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün unterlegt werden sollen, sagte Ernährungsminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag in Berlin. So sollen Kunden erkennen, wie viele Kalorien sie zu sich nehmen oder ob ein Produkt viel Zucker, Salz oder Fett enthält. In England wird das Ampelmodell laut Verbraucherschützern bereits erfolgreich erprobt.

Seehofer hatte sich bisher gegen Signalfarben ausgesprochen. Einer Studie zufolge halten jedoch 55 Prozent der Befragten eine farbliche Gestaltung für sinnvoll. "Diesem Wunsch der Mehrheit können wir uns nicht verschließen", begründete er die Kehrtwende. Die Kennzeichnung solle jedoch freiwillig sein. Eine Regelungskompetenz habe Deutschland dabei nicht. Dies könne nur die EU entscheiden, sagte eine Ministeriums-Sprecherin dem Abendblatt. Seehofer wollte nicht sagen, ab welchen Grenzwerten die Signalfarben gelten sollen. Er werde sich in der EU jedenfalls für ein einheitliches Farb-Modell einsetzen.

Kritik an der farblichen Kennzeichnung kommt von großen Lebensmittelherstellern. "Damit würde suggeriert, dass es gute und schlechte Lebensmittel gibt", sagte Katja Präfke von Unilever dem Abendblatt. Der Konzern kennzeichne heute bereits Produkte wie Knorr-Suppen, Eis wie Magnum sowie Streichfette wie Lätta mit der Angabe der Kalorien. Zusätzlich sei auf dem Etikett angegeben, wie viel Prozent des Tagesbedarfs beziehungsweise der Tageshöchstmenge eine Portion des Produkts an Zucker, Fett und Salz enthält, sagte Präfke. Unilever sei mit dieser Kennzeichnung einer von mehreren Herstellern, die sich auf diese freiwillige Nährwertangabe verständigt hätten. Gründungsmitglieder der Initiative seien Unternehmen wie Cadbury, Campbell's oder PepsiCo Deutschland. Auch Nestle gehört dazu und druckt Nährwertinformationen bereits auf Produkte wie Nescafe, Maggi oder Kitkat, sagte ein Sprecher dem Abendblatt.

Grünen-Politikerin Bärbel Höhn sagte, Freiwilligkeit bei der farblichen Kennzeichnung bringe "gar nichts". Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte die Pläne. Mit der Ankündigung Seehofers, zunächst Gespräche mit der Industrie zu führen, letztlich aber auf eine europäische Regelung zu setzen, "öffnet er sich Tür und Tor, die Ampel doch nicht zu machen", sagte Foodwatch-Chef Thilo Bode. Dabei sei eine einfache, schnell verständliche Kennzeichnung ungesunder Lebensmittel gerade für sozial schwache Familien und bildungsferne Schichten wichtig. "Wenn man den ganzen Einkaufskorb voll mit roten Punkten hat, denkt man eher noch mal nach." Bode betonte zudem, rein rechtlich wäre für Seehofer auch eine Verpflichtung der Hersteller und nicht nur eine Empfehlung sehr wohl möglich. Beim Gesundheitsschutz lasse die EU den nationalen Regierungen einen großen Ermessensspielraum.