Immer mehr Ältere im öffentlichen Dienst, der Nachwuchs fehlt, es gibt Abwanderung ins Ausland. Sogar die Flugbereitschaft ist betroffen.

Hamburg. Ihren ersten Gehaltszettel als ordentliche Professorin wird Christina A. nicht so schnell vergessen. Voller Elan war sie von Hamburg nach Augsburg gezogen. Nicht, um es sich auf dem ersehnten Lehrstuhl bequem zu machen. Mit Anfang 40 wollte sie in der Wissenschaft voll durchstarten. 3890 Euro Grundgehalt standen auf dem Computerausdruck, Tarifgruppe W2.

Mit Zulagen könnte sie in Zukunft ein paar Hundert Euro zusätzlich verdienen. Voraussetzung: wissenschaftliche Veröffentlichungen, herausragende Leistungen in der Lehre, neue Projekte von Drittmittelgebern.

Christina A. war geschockt. Ein ganzes Leben fürs Lernen: studieren, promovieren, habilitieren, warten, von Vertretung zu Vertretung hangeln und dann 3890 Euro als Spitze der deutschen Wissenschaftselite.

Was die Hochschullandschaft prägt, macht sich in Finanzämtern breit, bei den Ingenieuren im öffentlichen Dienst und sogar bei den Piloten, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vom G8- zum Klimagipfel fliegen. Dem Staat laufen seine Diener davon. 3,8 Millionen Beschäftigte hat der unmittelbare öffentliche Dienst (ohne Agentur für Arbeit, Krankenkassen und andere), 1,8 Millionen davon sind Beamte. Vor zehn Jahren waren es etwa fünf Millionen. Die Zahl der 25- bis 35-Jährigen bei Vater Staat sinkt rapide, die der Älteren steigt. Das Durchschnittsalter stieg von 1998 bis 2006 von 41,8 auf 44 Jahre.

"Die Demografie ist bei uns spürbar. Der sichere Arbeitsplatz ist nicht mehr das Argument, und bei der Bezahlung hinken wir hinterher", sagte der Hamburger Landesvorsitzende des Beamtenbundes (DBB), Rudolf Klüver. In absehbarer Zeit werde es schwierig, genügend qualifizierte Bewerber zu bekommen.

Beispiel Finanzamt: Rein statistisch gesehen, wird ein Steuerzahler im Laufe seines Arbeitslebens überhaupt nicht mehr kontrolliert. Dadurch sinkt die Steuermoral, drohen dem Staat Milliardenverluste. Und: Steuerexperten wechseln gerne in die Wirtschaft. "Einen Trend sehe ich noch nicht, aber der Zulauf, den wir früher hatten, flaut ab", sagte Hans-Georg Opitz, Steuerexperte der Hamburger dbb-Filiale. Finanzbeamte müssen einen Teil ihrer Ausbildungskosten zurückzahlen, wenn sie vor einer Frist von fünf Jahren wechseln.

Beispiel Lebensmittelsicherheit: "Ein Kontrolleur auf 1000 Betriebe - das fällt immer erst bei Skandalen wie beim Gammelfleisch auf", sagte Frank Zitka vom dbb in Berlin. Dbb-Chef Peter Heesen sprach in der "Westfälischen Rundschau" sogar von personellen Engpässen bei der Flugsicherung.

Das wollte deren Sprecher Axel Raab nicht bestätigen: "Unsere Leute werden sehr gut bezahlt. Ein Lotse verdient zwischen 5000 und 9000 Euro im Monat. Aber wir müssen schon die Werbetrommel rühren, um qualifizierten Nachwuchs zu bekommen."

Dramatischer sieht es bei den Piloten der Flugbereitschaft der Bundeswehr aus, die auch die Minister durch die Welt jettet. "Unseren Auftrag können wir erfüllen", sagte Hartmut Beilmann, Sprecher der Luftwaffe. "Aber die Luftfahrt boomt und lockt mit hohen Gehältern." Bei Transportfliegern und Flugbereitschaft werden Piloten knapp. Die Luftwaffe hat bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Zentrale Frage: Inwieweit kann man für gute Leute finanziell mitbieten?

An Berufsschulen hat die mäßige Bezahlung von Lehrkräften zu der paradoxen Situation geführt, dass ein Referendar (866,24 Euro im Monat) weniger verdient als mancher seiner Schüler im vierten Ausbildungsjahr.

Matthias Jaroch vom Hochschulverband sagt: "Die W-Besoldung bei den Professoren ist international nicht wettbewerbsfähig." 3405 Euro brutto für den Junior-Professor, der schon durch die akademische Mühle gedreht wurde. 3890 Euro für Gehaltsgruppe W2, 4723 Euro für W3. Die üppigen C-Gehälter laufen aus.

Die meisten Professoren, die im Schnitt mit 41 Jahren auf einen Lehrstuhl kommen, verdienen weniger als ihre Altersgenossen, die Lehrer wurden. So ist auch die Abwanderung der Wissenselite ins Ausland zu verstehen. Immerhin: Die Humboldt-Stiftung holt mit einem Programm Nachwuchsforscher aus dem Ausland zurück. Ihr Gehalt wird einfach aufgestockt.