Belastet durch Affären um die Landesbank und Rotlicht-Skandal. Nachfolger: Finanzminister Tillich.

Berlin/Dresden. Also doch. Georg Milbradt geht. Sachsens Ministerpräsident hat gestern seinen Rücktritt für Ende Mai angekündigt. Ganz überraschend kam diese Entscheidung nicht, denn bereits seit dem Notverkauf der Sächsischen Landesbank im Dezember war der 63-Jährige schwer angeschlagen gewesen. Als dann vor acht Tagen auch noch bekannt wurde, dass das Ehepaar Milbradt zu den privaten Kreditnehmern eben dieser Bank gehört hatte - "Zu normalen Konditionen!", wie Milbradt hilflos beteuerte -, war die Zeit des ungeliebten Landesvaters abgelaufen.

Die Sachsen hatten schon lange genug von diesem pflichtbewusst-humorlosen Technokraten. Von der Ungeschicklichkeit, mit der Milbradt in der Affäre um die vermeintliche Verbindung von Politikern und hohen Justizbeamten zum organisierten Verbrechen operierte. Von der Beratungsresistenz, die er an den Tag legte, als die Unesco wegen der geplanten Dresdener Elbbrücke mit der Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels drohte. Aber nicht nur Öffentlichkeit und Opposition wollten Georg Milbradt seit einiger Zeit möglichst schnell von hinten sehen, auch in der eigenen Partei fand Milbradt am Ende kaum noch Rückhalt. Immer häufiger konnte man aus CDU-Kreisen hören, wie schön es doch wäre, mal einen echten Sachsen und nicht ewig diese Zugereisten als Ministerpräsidenten zu erleben! Wen sie da im Auge hatten, wollten diese auf ihre Anonymität bedachten Parteifreunde allerdings nicht sagen. Milbradt selbst hat gestern Stanislaw Tillich als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Das sei "ein kraftvoller und erfahrener Politiker". Tillich ist tatsächlich Sachse, der 49-Jährige hat schon im Kabinett Biedenkopf gesessen, und gerade erst vom Landwirtschafts- zum Finanzminister aufgestiegen.

Als Georg Milbradt seine Entscheidung gestern Mittag in Dresden bekannt gab, wirkte er geradezu befreit. Als er erklärte, Sachsen habe achtzehn Jahre seines Lebens bestimmt, lief sogar ein Lächeln über sein Gesicht. Milbradt beendete seine kurze Erklärung dann mit den Worten: "Ich wünsche unserem Freistaat Mut, Kraft und die Leidenschaft, seine Erfolgsgeschichte fortzusetzen." Und er fügte noch hinzu: "Ich danke Ihnen allen sehr." So freundlich und gelöst hatte man ihn seit Monaten nicht mehr erlebt.

Der Bund der Steuerzahler hat gleichzeitig bekannt gemacht, dass Milbradt nach seinem Rücktritt mit einem monatlichen Ruhegehalt von 8600 Euro rechnen kann. Und dazu den Vergleich aufgemacht, dass ein Durchschnittsrentner im Westen für diese Summe 327 Jahre arbeiten müsste, ein Durchschnittsrentner im Osten sogar 372 Jahre. Das war weniger freundlich. Und trifft den Charakter von Georg Milbradt nicht. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der sich - angespitzt von seiner Frau - zu einer Rabatt-Debatte an der Ikea-Kasse hinreißen ließ und damit sein Ende besiegelte, ist Milbradt nicht vom Stamme Nimm. Umso mehr hat ihn der Vorwurf getroffen, er habe sich bei der Bank-Geschichte durch Insider-Wissen bereichert.

Der Sauerländer Georg Hermann Milbradt hat sein Volkswirtschafts-Studium mit "summa cum laude" abgeschlossen und sich habilitiert, bevor er Stadtkämmerer in Münster wurde. Er gehörte zum Beraterstab des damaligen Bundesfinanzministers, als ihn Kurt Biedenkopf 1990 bat, als Finanzminister nach Dresden zu kommen. Man bildete eine Kabinetts-WG oberhalb der Elbe, eine Männerfreundschaft entstand. So schien es. Jahre später war Biedenkopf überzeugt, Milbradt wolle ihn entmachten. Rasend vor Wut streute Biedenkopf den Satz, der Milbradt lange anhaftete: Er sei "hoch begabter Fachmann", aber ein "miserabler Politiker", sobald er sein fachliches Terrain verlasse.

Biedenkopf trat im April 2002 zurück, und der Mann, den er für seinen Todfeind hielt, wurde sein Nachfolger. Und es ist eine Ironie der Geschichte, dass dem "hoch begabten Fachmann" Georg Milbradt jetzt ausgerechnet die von ihm mitgegründete Landesbank zum Verhängnis geworden ist.

Wenn einer, der oben sei, falle, dann würden alle lachen, hat Milbradt in einem Interview gesagt, als die Dinge ihm um die Ohren flogen. Damit müsse man als Klassenprimus rechnen. Das klang nach Einsamkeit. Diese Einsamkeit hat gestern ihren Höhepunkt erreicht.