BERLIN. Die traditionelle Familie ist in Deutschland dramatisch auf dem Rückzug. Die Zahl der Ehepaare mit mindestens einem minderjährigen Kind sei innerhalb von zehn Jahren um mehr als eine Million auf jetzt noch 6,5 Millionen zurückgegangen, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Walter Radermacher. Dagegen gibt es immer mehr Alleinerziehende und unverheiratete Lebensgemeinschaften mit Kindern.

Diese Entwicklung ist in Ostdeutschland besonders deutlich: Dort sind nach Definition der Statistiker 42 Prozent aller Familien "alternative Formen". Im Westen sind es nur 22 Prozent. Nach dem Mikrozensus 2006, aus dem die Zahlen stammen, schrumpfte die Zahl aller Familien bundesweit um 668 000 auf knapp 8,8 Millionen. Kinderreiche Familien werden immer seltener.

Als Familie gilt, wenn Eltern mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren unter einem Dach leben. Volljährige Kinder werden nicht mehr erfasst.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hält die Familie "trotz aller Unkenrufe" weiter für beliebt. "Die Ehe ist besser als ihr Ruf", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Immerhin seien drei Viertel aller Familien Ehepaare mit Kindern.

Die Gesamtzahl sei seit dem Vergleichsjahr 1996 "nur" um 668 000 gesunken, obwohl es wegen der Geburtenentwicklung der vergangenen 30 bis 40 Jahre eine Million Frauen weniger gebe, die Kinder bekommen könnten. Auch ältere Menschen gehörten zur Familie, sie kämen im Mikrozensus nicht vor.

In Hamburg ist die Zahl der Familien gestiegen. Waren es 1996 noch 168 000, so sind es zehn Jahre später 172 000 Familien mit minderjährigen Kindern. Damit liegt Hamburg im Gegensatz zum Deutschlandtrend. Ungeklärt ist, ob der Zuwachs auf Zuwanderung beruht oder Familienneugründungen. Die Größe der Familie ist in Hamburg gesunken. Wurden 1996 noch 1,60 Kinder pro Familie gezählt, so waren es 2006 nur noch 1,55. Damit befindet sich Hamburg unter dem bundesweiten Durchschnitt (1,61 Kinder).

Der Anteil der Bevölkerung, der in einer Familie lebt, ging in Hamburg dagegen leicht zurück: 2006 waren es 34 Prozent, 1996 dagegen noch 35 Prozent. Mit 68 Prozent ist die Familienform mit Ehepaar und Kindern in Hamburg mit Abstand die häufigste, liegt aber unter dem Bundeswert (74 Prozent). Im Gegenzug ist der Anteil der Alleinerziehenden von 23 auf 26 Prozent angestiegen. Auch der Anteil der Familien mit einer Lebensgemeinschaft ist von fünf auf sechs Prozent gestiegen.

In einer Familie leben statistisch gesehen im Durchschnitt 1,61 minderjährige Kinder, 1996 waren es noch 1,65. In Ostdeutschland - einschließlich Berlin - schrumpfte die Kinderzahl von 1,55 auf 1,43. In Niedersachsen wachsen die meisten Kinder in einer Familie auf, gefolgt von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Die Familien in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen haben rein statistisch am wenigsten Kinder. Bundesweit ist der Anteil "alternativer Familien" aus Alleinerziehenden und Lebensgemeinschaften von knapp einem Fünftel auf mehr als ein Viertel gestiegen.

Familienministerin von der Leyen zeigte sich besorgt wegen der sinkenden Zahl von Familien mit mehr als einem Kind. "Es zeigt uns, dass wir uns mehr um diese Familien kümmern müssen." "Das Kindergeld im Falle einer Erhöhung zu staffeln kann ein erster Schritt sein, Mehrkindfamilien gezielt zu fördern."

Der Anteil der Familien mit mehreren minderjährigen Kindern sank in Ostdeutschland seit 1996 von 44 auf 35 Prozent, der der Familien mit einem Kind unter 18 Jahren stieg von 56 auf 65 Prozent. In Westdeutschland veränderten sich die Quoten vergleichsweise wenig.