BERLIN. Die eine hat ihren Austritt bereits angekündigt, der andere will sich heute entscheiden: Prominente Parteiflüchtlinge wie die CSU-Landrätin Gabriele Pauli und eventuell den Grünen-Politiker Oswald Metzger hat es schon immer gegeben. Manche sind in der politischen Versenkung verschwunden, andere machten Karriere bei der Konkurrenz. Am weitesten hat es dort ein späterer Bundespräsident gebracht: Gustav Heinemann, der 1952 aus der CDU austrat, die Gesamtdeutsche Volkspartei gründete und fünf Jahre später zur SPD ging.

Die Motive sind vielfältig. Bei Heinemann, der Konrad Adenauers Wiederbewaffnungskurs ablehnte, war die politische Überzeugung ausschlaggebend. Ebenso für den heutigen EU-Kommissar Günter Verheugen und KfW-Bankenchefin Ingrid Matthäus-Maier: Beide wechselten 1982 von der FDP zur SPD, als die Freidemokraten die sozialliberale Koalition zugunsten der CDU/CSU platzen ließen.

Heute denkt der SPD-Linke Rudolf Dreßler, dem seine Partei zu weit nach rechts gerückt ist, über einen Austritt nach. Zur Überzeugung tritt oft auch Egozentrik. Die SPD-Politikerin Ute Vogt etwa sagt über ihren baden-württembergischen Landsmann Oswald Metzger: "Manchmal kommt er mir vor wie eine männliche Frau Pauli."

Die CSU war ihres langjährigen Parteichefs und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zuletzt zwar überdrüssig geworden, liebte aber auch die interviewfreudige "Königsmörderin" Gabriele Pauli nicht. Die legte sich zudem noch mit den Nachfolgekandidaten an, beanspruchte selbst den Parteivorsitz und manövrierte sich mit Vorschlägen weit außerhalb des CSU-Mainstreams sowie belächelten Latexlady-Fotos ins Abseits.

Metzger, der in den 70ern bereits einige Jahre der SPD angehört hatte, zählte zu den profiliertesten Finanzpolitikern von Rot-Grün. 2002 schaffte er es aber nicht mehr in den Bundestag, im Stuttgarter Landtag blieb ihm die stets gesuchte bundesweite Aufmerksamkeit versagt. Mit seiner wirtschaftsfreundlichen Haltung hat er bei den Grünen kaum Wiederaufstiegschancen.

Auch eine andere prominente Grüne kam mal von der SPD: Petra Kelly verließ 1979 die Sozialdemokraten und wurde schon ein Jahr später Bundesvorstandssprecherin bei den Grünen.

Nicht weniger eigenwillig sind zwei andere Parteiwechsler: der von den Grünen zur SPD übergetretene spätere Bundesinnenminister Otto Schily sowie der frühere SPD-Vorsitzende und heutige Partei- und Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine.

Schily galt bei den Grünen - wie später bei der SPD - als bürgerlicher Außenseiter, der Ansichten rechts der Parteimehrheit kultivierte. Zudem musste er vor seinem Wechsel 1989 fürchten, das Bundestagsmandat zu verlieren - die SPD sicherte ihm für die nächste Wahl einen guten Listenplatz.

Lafontaine konnte seine Vorstellungen bei Kanzler Gerhard Schröder nicht durchsetzen und warf bald nach der Regierungsübernahme alle Ämter hin. 2005 verließ er die SPD und wechselte vor zwei Jahren - als sich die Chance auf ein Bundestagsmandat bot - zur Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), die mit der Linkspartei fusionierte.

Ein Mandatsverzicht wie bei Lafontaine und Schily und auch von Metzger erwogen ist bei einem Austritt nicht zwingend. Ein Abgeordneter könnte parteilos bleiben oder sich einer anderen Fraktion anschließen. Der Bundestag zählte bis 2002 bei seinen Fraktionen 73 Austritte und 47 Wechsel, die mit Abstand meisten in den ersten drei Wahlperioden.

Nur einmal, 1972, führten Fraktionswechsel sogar zur Neuwahl: Acht SPD- und FDP-Abgeordnete waren wegen der "Ostverträge" der sozialliberalen Regierung zur Union übergetreten und hatten so ein Patt entstehen lassen. Dabei war auch der frühere Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Erich Mende.

Von 1962 bis 1969 mit der CDU verbunden war auch Jürgen Möllemann, bevor er 1970 der FDP beitrat. Diese verließ er im März 2003 kurz vor seinem Tod.