Hamburg. Es gibt Worte, die ein ganzes Universum beinhalten. Ein Universum an Liebe, an Schönheit. Oder an Grauen.

Das unscheinbare Wort "Rampendienst" zählt zur letzten Kategorie. Damit bezeichneten die SS-Ärzte im Vernichtungslager Auschwitz die Aufgabe der Selektion. Mit knappen Handbewegungen entschieden die Mediziner des Todes - darunter der bestialische Lagerarzt Josef Mengele -, wer noch eine Gnadenfrist erhielt und unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten musste oder wer sofort ins Gas geschickt wurde. Oder wer bei grausigen medizinischen Experimenten zu Tode gebracht werden sollte.

Auschwitz war nicht nur ein Konzentrationslager, von denen es viele Dutzende in der Topografie des nationalsozialistischen Terrors gab. Es war das größte und entsetzlichste der sieben NS-Vernichtungslager, die einzig und allein zu dem Zweck errichtet worden waren, Menschen in einem industrialisierten Prozess millionenweise zu ermorden. Neben Auschwitz waren dies Treblinka, Belzec, Sobibor, Chelmno, Majdanek und Maly Trostinez.

Vor allem Auschwitz ist zum Symbol des Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten geworden. Das griechische Wort bedeutet "vollständig verbrennen" im Sinne eines antiken Brandopfers. Eine nur allzu bildhafte Bezeichnung, wenn man an die Verbrennungsöfen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau denkt. Viele Juden bevorzugen jedoch den hebräischen Begriff "Shoa", der wörtlich "Schrei nach Hilfe" im Sinne einer entsetzlichen Katastrophe bedeutet. Mehr als eine Million Menschen wurden in Auschwitz ermordet - vergast, erschossen, totgeschlagen, zu Tode geschunden oder zu Tode gefoltert.

Das Vernichtungslager, betrieben von der SS, war Kern des 40 Quadratkilometer großen "Interessengebiets Auschwitz" mit 39 Nebenlagern. Kosmos unvorstellbaren Leidens. ". . . der Tod ist ein Meister aus Deutschland", schrieb Paul Celan in der berühmten "Todesfuge", "er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng".

Was für Menschen mögen es gewesen sein, die dieses Reich des Todes verwalteten? Die mordeten und morden ließen, die täglich zusahen, wie Menschen buchstäblich verreckten und ihre Körper verbrannt wurden - nachdem man ihnen die Goldzähne herausgebrochen und die Haare abgeschnitten hatte? Die täglich den schwarzen, öligen Rauch aus den hohen Kaminen aufsteigen sahen und ihn wohl auch oft einatmeten?

Jedenfalls brachten sie es irgendwie fertig, sich inmitten dieses Infernos fröhliche Unbeschwertheit zu bewahren. Ob dies Symptom für einen grotesken Schutzreflex oder für besonders entmenschte Bestialität war, sei im Einzelfall dahingestellt. Jene Fotos jedenfalls, die Karl Höcker, Adjutant des letzten Lagerkommandanten Richard Baer von Mai 1944 bis Januar 1945, für sein Privatalbum fotografierte, machen sprachlos. Entstanden sind sie in Solahütte, dem Erholungsheim für die SS-Mannschaft des Vernichtungslagers, rund 30 Kilometer südlich von Auschwitz am Fluss Sola.

Auf den 116 Fotos des Albums sieht man zum Beispiel SS-Offiziere - darunter auch Mengele und den früheren Lagerkommandant Rudolf Höß, ein eiskalter Massenmörder - beim unbeschwerten Entspannen. Sie trinken Bier, scherzen, musizieren mit dem Akkordeon oder halten im Liegestuhl ein Nickerchen.

Zwölf SS-Helferinnen sitzen kichernd auf einem Holzgeländer und genießen von Höcker gereichte Blaubeeren, während gar nicht weit von ihnen entfernt in den Gaskammern von Birkenau etwa zur selben Zeit fast 130 Neuankömmlinge dieses Tages qualvoll am Blausäuregas Zyklon B ersticken.

Ein amerikanischer Geheimdienstoffizier fand das Album 1946 in einer Wohnung in Frankfurt und stellte es erst vor Kurzem dem Holocaust-Museum zur Verfügung. Jetzt wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt. "Auf den Fotos ist nichts Schreckliches zu sehen - nicht einmal ein Gefangener im Hintergrund", sagt Judith Cohen, die Chefin der fotografischen Sammlung. "Und genau das macht sie so furchtbar."

Der Fotograf, SS-Adjutant Höcker, saß nach dem Krieg wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord fünf Jahre Haft ab und starb im Jahre 2000. Im gesegneten Alter von 88 Jahren.