HAMBURG. Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) fühlt sich mitschuldig an der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion (RAF) im Jahr 1977. "Ich bin verstrickt in Schuld - Schuld gegenüber Schleyer und gegenüber Frau Schleyer", sagte Schmidt der Wochenzeitung "Die Zeit".

Dennoch verteidigte der heutige Mitherausgeber des Blattes die Entscheidung, den Erpressern der RAF nicht nachgegeben zu haben. Er sei nach der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz 1975 entschlossen gewesen, nie wieder Terroristen im Austausch gegen Geiseln freizulassen.

Schleyer war am 5. September 1977 von der RAF entführt und sechs Wochen später ermordet worden, nachdem die Regierung Schmidt sich geweigert hatte, elf RAF-Häftlinge freizulassen. Der Altkanzler betonte, ihm sei in der Zeit, in denen die Polizei nach Schleyer gesucht habe, immer klar gewesen: "Wenn es nicht gelingt, bist du selbst mitschuldig."

Vermutungen, der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß habe während der Entführung im Krisenstab in Erwägung gezogen, Standgerichte zu schaffen und für jede getötete Geisel einen RAF- Häftling zu erschießen, wies Schmidt zurück.

Strauß' Wortwahl sei "sehr viel vorsichtiger" gewesen. "Ich meine, dass er gesagt hat: ,Wir haben doch auch Geiseln.' Und nicht mehr als das." Er habe aber Strauß' Bemerkung als "sehr befremdlich" in Erinnerung, denn sie hätte vielleicht auf dasselbe hinauslaufen können.

Im selben Gespräch äußerte Schmidt Verständnis für die Proteste der Studentenbewegung von 1968. "An der Kritik der 68er an der damaligen Universität ist nichts auszusetzen, sie war im Prinzip und in der Sache durchaus gerechtfertigt." Auch stimme er mit den Protesten darin überein, dass die Deutschen in den 50er- und 60er-Jahren "mit den schlimmen Nazis ein bisschen zu menschenfreundlich umgegangen" seien. Gleichwohl seien viele Studenten auf "antifaschistische Propaganda der Moskauer und der Ost-Berliner hereingefallen".