Kühlungsborn. Die Bilder von den Demonstranten am Sicherheitszaun in Heiligendamm gehen um die Welt. Trotz des massiven Polizeiaufgebots haben es einige Tausend in die unmittelbare Nähe des G-8-Tagungshotels geschafft - in die gerichtlich bestätigte Demoverbotszone. Hinter diesen Protesten steckt eine ausgeklügelte Taktik. Ein Grund ist, dass die unterschiedlichen Gruppen erstmals ein breites Bündnis bilden. Neben den Protestorganisationen wie Attac, Greenpeace oder den kirchlichen Aktivisten sind auch die linken Splittergruppen in ihrem Zusammenschluss "Interventionische Linke" Teil dieser Strategie.

Die Vorbereitungszeit läuft seit zwei Jahren. Zentraler Bestandteil sind die Blockadeaktionen der Kampagne "Block G 8" rund um den Zaun. "Wir wollen keine Eskalation. Blockaden sind eine Form des zivilen Ungehorsams, wie man sie von den Castor-Transporten kennt", sagt Mitorganisator Christoph Kleine aus Lübeck. Das Erreichen des Zauns ist der kleinste gemeinsame Nenner.

Dabei haben die Aktivisten ihre Strategie immer weiter verfeinert. Hauptkommunikationsquelle ist das Internet. Außerdem gab es bundesweit 60 bis 70 Blockadetrainings. Auch in den drei Protest-Camps wird bis zu dreimal täglich geübt: im Laufen über ein Hindernis springen, geschlossen auf ein Ziel zumarschieren, sich wegtragen lassen, nach dem Modell "nasser Sack". Die Camps werden von eigenen Sicherheitskräften bewacht, um Polizei und militante Autonome rauszuhalten. Auch die Medien haben nur reglementierten Zutritt. "Das ist unser Rückzugsbereich", sagt Carlo Camper (28) aus Cottbus. Viele Camp-Sprecher verwenden diesen Namen, um anonym zu bleiben.

Die Strategie der Blockierer ähnelt dem Vorgehen bei den Castor-Transporten. Lange vor dem Termin wird das Gelände erkundet, Wald- und Schleichwege ausgespäht. Am Tag X findet man sich dann in kleinen Gruppen zusammen und geht los, meist ausgerüstet mit Proviant und warmen Decken, um auch eine Nacht durchzuhalten. Im Wald sind Fahrräder angeschlossen. Die Blockade-Organisatoren haben mehrere Info-Punkte eingerichtet, die als angemeldete Demonstrationen bis Freitag genehmigt sind. Dort gibt es etwas Warmes zu trinken und zu essen, Landkarten mit zentralen Handy-Nummern wie dem Sanitätsteam und Infos über den Verlauf der Aktion.

Neu ist, dass sich größere Gruppen nach der Fünf-Finger-Taktik verteilen, um so die Polizei zu umlaufen. Verunsicherung bringt auch die sogenannten Clowns-Armee. Hinter den bunten Verkleidungen verbergen sich teilweise militärische Strukturen. Die Verständigung läuft über Handys, immer häufiger benutzen die Demonstranten auch Walkie-Talkies, die von den überwachbaren Mobilfunknetzen unabhängig sind. Erprobt ist inzwischen auch, dass Anwälte die Blockaden begleiten und auch vermitteln.

Nicht eingebunden sind derzeit die Autonomen. Zu beobachten ist jedoch, dass sie sich mit unauffälliger Kleidung unter die Demonstranten mischen, um später ihre schwarzen Kapuzenpullover rauszuholen - und manchmal auch Steine.