Hamburg. Für Macher wie Kritiker gilt das Gleiche: Zwei Jahre haben sie sich auf den G-8-Gipfel in Heiligendamm vorbereitet. Von Sonnabend an werden sich mehr als 100 Gruppen aus Deutschland an Veranstaltungen und Aktionen gegen den Weltwirtschaftsgipfel beteiligen. Aus dem Ausland kommen 50 Gruppen dazu.

Nie zuvor war das Spektrum des Protestes so breit: von radikalen Linken über Globalisierungsgegner, Umweltverbände, Linkspartei und Grüne bis zu Kirchenleuten, Gewerkschaftern und Popstars wie Herbert Grönemeyer, U-2-Frontmann Bono oder Afrika-Aktivist Bob Geldorf. Der G-8-Gipfel ist endgültig zum Kristallisationspunkt einer Haltung avanciert. Ein Symbol im Kampf um eine bessere Welt - internationale Aufmerksamkeit garantiert.

Das macht es den Gastgebern schwer zu reagieren. Mit einem beispiellosen Sicherheitseinsatz sollen die acht Staats- und Regierungschefs samt ihren Delegationen (insgesamt 2000 Menschen) geschützt werden. Kosten: mehr als 90 Millionen Euro. Heiligendamm wurde mit einem 12 Kilometer langen Zaun für fast zwei Wochen abgeriegelt. 16 400 Polizisten aus ganz Deutschland sind im Einsatz mit Hunde- und Pferdestaffeln, Kampftauchern, Scharfschützen und GSG 9, dazu kommen 1100 Soldaten. Nicht eingerechnet sind die ausländischen Sicherheitskräfte.

Weitreichende Versammlungverbote wurden erlassen. Inzwischen ist, auch nach den bundesweiten, weitgehend ergebnislosen Razzien in der linken Szene, eine kontroverse Diskussion über die Verhältnismäßigkeit entbrannt. Zentraler Punkt der Diskussion: die Gewaltfrage. Die globalisierungskritische Szene ist gespalten in die, "die Gewalt klar ablehnen, und solche, die Gewalt als politisches Mittel akzeptieren", so Attac-Sprecher Werner Rätz. Dazwischen ist der große Rest.

Und der könnte, vergleicht man die teilweise sogar widersprüchlichen Protestaufrufe und Positionspapiere, heterogener kaum sein. Gemeinsam ist den G-8-Kritikern der Widerstand gegen die Politik der Industriestaaten. "Hier maßt sich eine nicht autorisierte Runde an, Themen für die gesamte Weltgemeinschaft zu regulieren. Das wollen wir nicht akzeptieren", sagt Attac-Aktivist Rätz. Die Themen müssten dorthin, wo die Weltgemeinschaft sitzt, in die Uno.

"Die Kritik am Neoliberalismus ist der kleinste gemeinsame Nenner", so Simon Teune, Experte für soziale Bewegungen vom Wissenschaftszentrum Berlin. Am meisten Unterstützung hat deshalb auch die am Sonnabend in Rostock geplante Großdemo unter dem eher unverfänglichen Motto "Eine andere Welt ist möglich".

Wie schon in der Vergangenheit werden von den Kritikern auch Ideen und Alternativen für "eine andere Gestaltung der Globalisierung" entwickelt, wie es Sibylle Gundert-Hock vom Eine-Welt-Landesnetz Mecklenburg-Vorpommern sagt. Das spricht immer mehr Menschen an. Selbst CDU-Veteran Heiner Geißler ist jetzt Attac-Mitglied. Er forderte, die G-8-Ländern müssen sich überlegen, "ob nicht eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft die bessere Alternative ist".

Konkret bedeutet das unter anderem eine stärkere Kontrolle der internationalen Finanzsysteme, Beschränkung der europäischen und amerikanischen Agrarsubventionen. "Ohne Achtung der Menschenwürde und solidarische Standards, die Lohnsklaverei, Ausbeutung, Kinderarbeit und Zerstörung der Natur verbieten und verhindern, ist eine humane Weltwirtschafts- und Weltfriedensordnung nicht möglich", so Geißler.

Anliegen, die kompliziert und schwer zu vermitteln sind. Die bittere Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Gegner erst dann wahrgenommen wurden, wenn es Krawall gab. Und deshalb stehen sich jetzt Zehntausende Demonstranten und Polizisten gegenüber.