Sorge um Ansehen der Regierenden. TV-Moderatoren Wickert und Illner widersprechen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Inhaber des nach dem Bundespräsidenten zweithöchsten Staatsamts in der Bundesrepublik, hat Deutschlands Politikern empfohlen, eine zweijährige Talkshow-Pause einzulegen.

Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Inhaber des nach dem Bundespräsidenten zweithöchsten Staatsamts in der Bundesrepublik, hat Deutschlands Politikern empfohlen, eine zweijährige Talkshow-Pause einzulegen. Ihre beachtliche Präsenz in immer mehr Talkshows habe "keine nachhaltige Verbesserung des Ansehens der Politiker bewirkt", sagte Lammert der "Berliner Zeitung". Er sei der Meinung, die Politik mache sich "in vielen Zusammenhängen zu billig", das gelte insbesondere für das Fernsehen.

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sagte dazu: "Talkshows wurden zu einer Art Neben-Parlament und haben in der politischen Meinungsbildung inzwischen dem Bundestag den Rang abgelaufen." Argumente würden im TV aber oft nur gestreift.

Lammert, der selbst noch nie Gast bei "Sabine Christiansen" oder "Maybrit Illner" war, stieß mit seinem Vorstoß bei Fernsehmoderatoren und Politikern auf Skepsis.

Der frühere "Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert sagte dem Abendblatt, Politiker sollten in Talkshows gehen, dort aber "wahrhaftig" sein. "Sie könnten den Bürgern reinen Wein einschenken, statt falsche Versprechen zu machen." Häufig sagten Politiker im TV das Gegenteil von dem, was sie nach Ende der Sendung den Journalisten als "wie es wirklich ist" erklären. "Nur fügen sie dann hinzu: ,Das kann man ja nicht laut sagen'. Und sie meinen: weil dann die Wähler ihnen die Stimme entziehen."

Auch Maybrit Illner widersprach Lammert. "Dass sich ausgerechnet der Bundestagspräsident wünscht, wir sollen über Politik ganz ohne seine Kollegen reden, erstaunt mich schon ein bisschen", sagte sie dem Abendblatt. "Aus meiner Sicht gehört es zur Verantwortung eines Politikers, sich der öffentlichen Debatte zu stellen und seine Entscheidungen zu rechtfertigen."

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) übte ebenfalls Kritik: "Wir drängen uns ja nicht mit Waffengewalt in TV-Studios, sondern wir werden eingeladen", sagte er.

Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi lehnte die Empfehlung Lammerts ab. "Die Teilnahme ist wichtig. Nicht jeder kann die Bundestagsdebatte verfolgen", sagte er der "Saarbrücker Zeitung".

FDP-Chef Guido Westerwelle, früher häufiger Besucher bei Christiansen oder Illner, seit April 2006 aber in beiden großen TV-Polittalks nicht mehr zu Gast, fühlte sich von Lammerts Kritik nicht angesprochen. "Mich kann er damit nicht gemeint haben . . ."