1986 wurde Gerold von Braunmühl getötet, mit derselben Waffe wie Schleyer.

ABENDBLATT: Das Treffen von Michael Buback, dem Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, mit dem ehemaligen RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock wird teilweise heftig kritisiert. Wie beobachten sie diese Diskussion?

WILHELM VON BRAUNMÜHL: Sehr distanziert. Ich habe selbst einiges unternommen, um die genauen Umstände des Attentats auf meinen Bruder Gerold herauszufinden. Ich bin nur auf Schweigen gestoßen.

ABENDBLATT: Wie wichtig ist es für Sie, alles zu wissen?

BRAUNMÜHL: Das ist schwierig in Worte zu kleiden. Es ist so etwas wie ein offener Punkt. Man bekommt die Geschichte nicht rund. Aber es gibt die Hoffnung, dass man das schaffen würde, wenn man vom Anfang bis zum Ende wüsste, wer es war, was die Anlässe waren, ob es überhaupt irgendwelche Gründe gab oder ob es einfach nur ein Mord war. Mir würde es helfen, das Ganze besser abzuschließen.

ABENDBLATT: Können Sie nachvollziehen, dass Herr Buback sich mit Herrn Boock an einen Tisch setzt, weil auch er mehr über den Tod seines Vaters erfahren will?

BRAUNMÜHL: Ich fand das sehr mutig. Er hatte keinen anderen Informanten als ausgerechnet Herrn Boock. Wir haben eine spezifische Geschichte mit Herrn Boock.

ABENDBLATT: . . . weil Sie und Ihre Brüder 1987 20 000 Mark aus dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis für seine Verteidigung gespendet haben.

BRAUNMÜHL: Er hat uns glauben gemacht, dass er an den Morden, unter anderem an Hanns-Martin Schleyer, so gut wie nicht beteiligt gewesen und fälschlich angeklagt worden sei. Unser Geld sollte helfen, Gerechtigkeit herbeizuführen. Aber er hat uns gnadenlos belogen. (Zwölf Jahre nach seiner Verhaftung gestand Boock, seine Beteiligung an der Schleyer-Entführung verschwiegen zu haben, d. Red.) Das ist ein schlechter Start für die Kommunikation zwischen Herrn Buback und ihm.

ABENDBLATT: Glauben Sie ein Wort von dem, was Boock über Stefan Wisniewski als Buback-Mörder angeblich neu enthüllt?

BRAUNMÜHL: Ich würde mit diesen Aussagen aber sehr vorsichtig umgehen.

ABENDBLATT: So wie Buback auf die Täter zugeht, haben Sie und Ihre Brüder kurz nach dem Tod von Gerold auch einen Schritt auf sie zu gemacht und die Mörder in einem offenen Brief aufgefordert, Stellung zu beziehen. Was haben Sie bewirkt?

BRAUNMÜHL: Wir sind nicht auf die Täter zugegangen, weil wir uns ihnen nähern wollten. Wir waren überzeugt, dass eine offene Kommunikation die Täter vom Wahnsinn ihrer Taten überzeugt. Es sollte auch das Umfeld, das diese Täter immer brauchen, aufrütteln. Ich glaube, dass das eines der kleinen Puzzlesteine war, die später zur Auflösung der RAF beigetragen haben.

ABENDBLATT: Würden Sie es wieder tun?

BRAUNMÜHL: Wenn die gleiche Situation gegeben wäre: ja. Aber für mich sind die Umstände heute ganz andere. Damals ging eine akute Gefahr von der RAF aus, der wir in anderer Weise als nur durch Strafverfolgung begegnen wollten. Heute aber gibt es keine Gefahr von dieser Form des Terrorismus.

ABENDBLATT: Glauben Sie, es ist eine Aufarbeitung der ungeklärten Morde möglich?

BRAUNMÜHL: Es wäre für mich eine schreckliche Erkenntnis, wenn durch Hinweise von Peter-Jürgen Boock heute Erkenntnisse ans Licht kämen, die die Behörden zurückgehalten haben.

ABENDBLATT: Christian Klar hat ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten gestellt. Ihr Bruder wurde mit derselben Waffe erschossen, wie Hanns-Martin Schleyer, für dessen Ermordung Klar verurteilt wurde. Er kennt die Mörder. Erwarten Sie, dass er sie nennt, um Gnade zu erhalten?

BRAUNMÜHL: Emotional erwarte ich das. Persönlich finde ich es von Klar unerträglich, dass er diese Informationen zurückhält. Aber das sage ich als Betroffener und nicht als Vertreter eines Staates. Ich kann mir vorstellen, dass der Bundespräsident einen anderen Blickwinkel dazu einnimmt. Wenn er ihn glaubwürdig erläutert, würde ich damit leben können. Ich könnte es nach all der Zeit tolerieren.

ABENDBLATT: In diesem Jahr ballen sich die Ereignisse um die RAF. 30 Jahre "Deutscher Herbst", Freilassung von Brigitte Mohnhaupt, mögliche Begnadigung von Christian Klar. Können Sie das ertragen?

BRAUNMÜHL: Ja. Die damaligen Täter werden es schwer haben, sich zurechtzufinden. Sie werden am Leben keine Freude mehr haben. Das zeigt den Abstand, den ich zu dem allen inzwischen habe. Offen bleibt eben nur die letzte Aufklärung.