Der Raum bleibt kalt und wird abgeschlossen. Die Ämter im Osten helfen so Leerstand zu vermeiden.

Hamburg. Die Heizkörper sind stillgelegt, das Mobiliar ist ausgeräumt, die Zimmertür abgeschlossen: In der sächsischen Kleinstadt Löbau dürfen zahlreiche Mieter bestimmte Räume ihrer Wohnungen nicht mehr betreten. Sie sind Hartz-IV-Empfänger, deren Wohnungen den sogenannten Regelquadratmetersatz überschreiten und die deshalb ausziehen müssten. Damit das nicht passiert, verriegelt die örtliche Wohnungsbaugesellschaft einfach einen Raum, verkleinert so die Quadratmeterzahl der Wohnung und berechnet eine günstigere Miete.

Die Idee stammt von der Wohnungsverwaltung und Bau GmbH (Wobau). "Wir ersparen den Mietern einen Umzug und minimieren unsere Verluste", sagt Geschäftsführer Matthias Urbansky. 2000 Wohnungen verwaltet Urbansky. 95 Wohnungen wurden seit Einführung von Hartz IV im Schnellverfahren künstlich verkleinert. Meist sind es Dreizimmerwohnungen, die in Zweizimmerwohnungen umgewandelt werden. Dadurch verringern sich zwar die Mieteinnahmen, gleichzeitig aber wird weiterer Leerstand verhindert. In dem von der Wobau verwalteten Plattenbauviertel steht jede fünfte Wohnung leer. Ob die Mieter die abgesperrten Räume tatsächlich nicht benutzen, wird nicht kontrolliert. Der Zimmerschlüssel bleibt beim Mieter. Matthias Urbansky: "Man kennt sich, man vertraut sich."

Die Wobau ist nicht die einzige ostdeutsche Wohnungsbaugesellschaft, die mit ungewöhnlichen Mitteln auf die Folgen von Hartz IV reagiert. In Halle, Dessau und Magdeburg werden ebenfalls nach Absprache einzelne Räume gesperrt oder zumindest die Heizung stillgelegt. In diesen Städten sind ausreichend kleine Wohnungen oft Mangelware.

41 000 Menschen beziehen im ostdeutschen Halle Arbeitslosengeld II. "Den Hartz-IV-Empfängern stehen 297 Euro Warmmiete bei zirka 45 Quadratmetern zu", sagt Christine Radig, Leiterin der örtlichen Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagentur und der Kommune (ARGE). Während der Bund die Kosten für das ALG II zahlt, übernehmen die Kommunen die Miet- und Heizkosten der Hartz-IV-Empfänger, abhängig vom örtlichen Mietspiegel. Ist die Wohnung zu groß, müssen sich Hartz-IV-Empfänger eine kleinere Bleibe suchen. Wie viele ALG-II-Bezieher bereits umziehen mussten, ist statistisch nicht erfasst. "Uns sind bislang nur Einzelfälle bekannt", sagt Radig.

Joachim Effert von der Halleschen Wohnungsbaugesellschaft wird konkreter. 22 000 Wohnungen verwaltet seine Gesellschaft bei 18 Prozent Leerstand. Im Gegensatz zu den Kollegen aus Löbau sperren die Hallenser den Hartz-IV-Empfängern keine Räume zu, sondern legen den Heizkörper still und stufen das Zimmer zu einem Nebenraum herunter. "Für diesen Raum werden keine Nebenkosten berechnet, also wird die Miete günstiger", sagt Effert. Der Mieter kann den "Nebenraum" aber nach Belieben nutzen. 240 Wohnungen wurden bereits heruntergestuft. "Die Nachfrage ist hoch, übrigens nicht nur bei Hartz-IV-Empfängern, sondern auch bei normalen Mietern", so Effert. Schließlich würden die Mieter für die Fläche einer Dreizimmerwohnung nur die Miete einer Zweizimmerwohnung bezahlen.

Kritik kommt vom Sächsischen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vwd), in der auch die Wohnungsbaugesellschaft Löbau Mitglied ist. "Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge", sagt vwd-Sprecher Peter Rösler. Die Wohnungsbaugesellschaften würden auf ihren tatsächlichen Kosten sitzen bleiben und sich langfristig den Markt ruinieren. "Anstatt dass die ARGE die Kosten trägt, werden sie auf die Wohnungsbaugesellschaften abgewälzt", sagt Rösler. Peter Urbansky aus Löbau sagt: "Letztlich ist das alles nur ein Beispiel dafür, dass Hartz IV nicht funktioniert." Während Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) die Maßnahmen noch als "denkbaren Weg" bezeichnet, sind sie für die Linkspartei "diskriminierend".

In Hamburg brauchen Hartz-IV-Empfänger eine ähnliche Entwicklung nicht zu befürchten. Carl Mario Spitzmüller, Sprecher der Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA GWG, nannte die Idee "abenteuerlich". So etwas würde in Hamburg nicht passieren. "Wir haben aber auch ein Angebot an kleinen und günstigen Wohnungen."