Abendblatt Sonntags: Das Opec-Attentat in Wien, an dem Sie beteiligt waren, ist mehr als 30 Jahre her. Sie haben der Gewalt schon bald nach dem Attentat abgeschworen. Haben Sie mit ihrer Vergangenheit als Terrorist abgeschlossen?

Hans-Joachim Klein: Nein. Ich habe immer noch daran zu knapsen. Durch die schwere Schussverletzung habe ich bis heute gesundheitliche Probleme. Außerdem sind die Medien ja jeden Tag voll von Terrorismus. Ich brauche also nur ein Radio anzumachen oder die Zeitung aufzuschlagen, und schon ist die Vergangenheit wieder da. Und die kann ich nun mal nicht rückgängig machen, so sehr ich meine Taten auch bereue.

Sie plagt also Ihr Gewissen?

Klein: Ich weiß nicht, ob man es ein schlechtes Gewissen nennen kann. Das Problem ist einfach: Das, was ich gemacht habe, ist im Nachhinein nicht akzeptabel. Auch wenn ich selber nicht geschossen habe: Bei dem Attentat in Wien sind drei Menschen ums Leben gekommen. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich einsehen, dass ich einen Fehler gemacht habe. Um das mal höflich auszudrücken.

Für Ihre Taten sind Sie, nachdem Sie 1998 von deutschen Fahndern in Frankreich festgenommen worden waren, zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Warum haben Sie sich nie freiwillig gestellt?

Klein: Ich war mir zwar bewusst, dass ich schuldig geworden bin. Trotzdem habe ich mich entschlossen, in Frankreich unterzutauchen, und mehr als 20 Jahre auf einem kleinen Bauernhof in der Normandie verbracht. Der Grund dafür ist simpel und lässt sich vielleicht nachvollziehen: Ich hatte keine Lust, ins Gefängnis zu gehen. Am Ende hat dann ja doch kein Weg dran vorbeigeführt: Ich bin bestraft worden, auch wenn das Urteil sicherlich sehr fair gewesen ist.

Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar sind noch im Gefängnis. Was meinen Sie: Ist es an der Zeit, die beiden freizulassen?

Klein: Ja, ich bin dafür. Man sollte jetzt einen Schlussstrich unter diese Epoche ziehen. Die beiden sind doch genug bestraft worden. Eins darf man nicht vergessen: Mehr als zwei Jahrzehnte Gefängnis machen auch den Stärksten kaputt. Kaum ein Mörder hat in Deutschland je so lange in Haft gesessen.

Zu Einsicht hat die lange Haftzeit bei beiden aber offenbar nicht geführt. Bis heute gibt es weder von Brigitte Mohnhaupt noch von Christian Klar eine Entschuldigung...

Klein: Die wird es auch nicht geben, da bin ich mir sicher. Jetzt, kurz vor der Türöffnung, noch ein "Mea culpa" zu erwarten ist Unsinn: Da sprechen Sie gegen Wände. Die Haft hat die beiden doch längst kaputt gemacht.

Wo es an Reue offensichtlich fehlt: Geht von den beiden noch eine Gefahr aus?

Klein: Nein. Ohne Unterstützung kommen Sie als Terrorist ja nicht weit. RAF-Mitglied sein hieß damals ja, sofort in den Untergrund zu gehen. Dafür brauchen Sie eine wahnsinnige Logistik, auch von Legalen viel Unterstützung. Ich glaube, da macht heute in Deutschland keiner mehr mit.

Können Sie verstehen, dass die Angehörigen der RAF-Opfer wie Familie Schleyer eine Freilassung ablehnen?

Klein: Ja, ich kann sie verstehen. Man hat Hanns-Martin Schleyer abgeschlachtet wie einen Hund. Natürlich ist es schmerzlich, jemand auf diese Art zu verlieren. Seine Familie muss aber auch zur Kenntnis nehmen: Es gibt ein Gesetz in Deutschland, und irgendwann hat auch ein Mörder das Recht, wieder freizukommen. In Deutschland gibt es eben keine Todesstrafe. Vielleicht ist das ja sogar ein kleiner Trost: Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und die anderen Mörder von damals waren als Linke immer gegen Todesstrafe und haben sie an Hanns-Martin Schleyer doch selber vollzogen. Wenn die Angehörigen der Opfer und der Staat jetzt Gnade walten lassen, stehen sie über den Tätern.