z. Zt. auf See

Heimweh ist (auch) ein Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit, fehlendem Zugehörigkeitsgefühl. Deshalb haben kleine Kinder Maskottchen, Kuscheltiere, Kuscheldecken, an denen sie im Dunkeln schnuffeln, um das Vertraute zu spüren, wenn sie allein sind.

Auf der Reise zum Schiff, in Hotels, wusste ich nicht, was ich vermisste, wenn wir ins Bett gingen, in jene internationalen Betten, die ein Laken über ein Laken spannen, in die man hineinschlüpfen muss wie in einen Briefumschlag, und das mit seinem kugeligen Körper.

Endlich, auf der MS "Europa", wussten wir, was uns gefehlt hatte: das deutsche Federbett, in das man sich kuscheln kann, während das Schiff durch die Karibik pflügt, durch den Indischen Ozean oder in der Antarktis unterwegs ist.

Das deutsche Federbett, von unseren Großeltern noch Plumeau genannt, in dem man, je nachdem, den Fuß zur Kühlung rausstrecken oder sich Wärme suchend krümmen kann, zusammengerollt wie ein Embryo.

Ein Kuschelbett für alle Weltmeere, deutsch wie der Leberknödel. Oder der Kartoffelsalat. Der aber trennt in seinem Heimatkuschelgefühl Nord von Süd, stärker als der Limes oder der Weißwurstäquator.

Auf der MS "Europa" wirkt ein neuer Koch, Stefan Wilke, ein Schüler des Dreisternekochs Harald Wohlfahrt ("Schwarzwaldstube"). Natürlich macht er einen süddeutschen, schwäbischen Kartoffelsalat, der goldgelb glänzt, sich flüssig aufzulösen scheint, "schlonzig" schmeckt, das heißt, einen zurückanschmatzt, wenn man ihn nur anschaut und einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Lauwarm schmeckt er am besten.

Wie er gemacht wird? Ganz einfach. Die warm gepellten, zu Rädern geschnittenen Scheiben werden mit Brühe bis zur Sättigung übergossen, sodass sie anschließend Essig und Öl begierig aufsaugen.

Meine Kinder sind Hamburger, ihre Mutter Berlinerin, ihre Oma macht den Kartoffelsalat norddeutsch, hart aussehende, eiskalte Räder oder Würfel in Mayonnaise, wie versiegelt.

Ich will nicht parteiisch sein, aber beim Salat scheidet meine Familie das kulinarische Kuschelgefühl, das Heimweh des Magens. Wenn ich auch nur das Wort "schlonzig" sage, schütteln sich meine Kinder. Gut, dass sie nicht mit an Bord sind.