Immerhin drei Ministerinnen sitzen in seinem Kabinett. Und die wirklichen Probleme des Bayern-Premiers liegen ohnehin ganz woanders . . .

München. Es hat Vorteile, wenn ein Mann blond ist wie Edmund Stoiber (65). Das Altern fällt weniger auf. Bis vor ein, zwei Jahren sah man dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten sein Alter nicht an. Stoiber sah aus wie eben Stoiber. Nur das Design seiner Brille und das Muster seiner Krawatten änderte sich im Fünf- bis Siebenjahresrhythmus. Und Ehefrau Karin sorgt für den aktuellen, aber unauffällig-eleganten Schnitt der Maßanzüge.

Stets galt der CSU-Chef als "ein Muster an Funktionalität und Verlässlichkeit", wie der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter formuliert. Bis zu jenem Moment im Jahre 2005, als Stoiber auf das Amt des Bundeswirtschaftsministers im Kabinett Merkel verzichtete. Seither ist vieles anders. Die Partei probte den Aufstand, Stoiber litt nach eigenen Worten "wie ein Hund" - und man sah es ihm auch an.

Schnell, allzu schnell versuchte das Partei-Establishment die Schmach der "Flucht aus Berlin" unter den Teppich zu kehren. Doch nicht nur bei vielen bayerischen Wählern, auch bei nicht wenigen Parteifreunden ist Stoiber seither "unten durch".

Schon vorher war es gelegentlich passiert, dass das einst sogenannte "blonde Fallbeil" von Franz Josef Strauß nicht messerscharf argumentierte, sondern zuweilen wie ein altersschwacher Mixer in einem Themenbrei herumrührte. Doch darüber wurde früher nicht geredet, das sah man einem von Terminen gehetzten Spitzenmann großzügig nach. Auch das hat sich geändert. Vor allem aber: Man sieht Stoiber immer öfter Alter und Müdigkeit an. Wenn die Opposition heute respektlos und ungestraft über den "bleichen Alpenfürsten" und den "gerupften Gockel" herzieht, weiß jeder, wer gemeint ist.

Ein Repräsentant der bayerischen Lebensart war der Oberbayer nie. Obwohl er gelegentlich in der Tracht oder der Uniform der Gebirgsschützen daherkommt oder Blaskapellen dirigiert: Stoiber war seit seinem Amtsantritt 1993 stets ein Vertreter des Laptops und nicht der Lederhose. Doch erst beides zusammen macht nach herrschender CSU-Ideologie den modernen Freistaat aus.

Nicht von einem barocken Bajuwaren-Patriarchen wie Franz Josef Strauß, sondern von einem Vorstandsvorsitzenden der Bayern AG regiert zu werden störte die Bayern allerdings nicht, im Gegenteil: Ob bei Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenzahlen oder Kriminalitätsrate - in fast allen Politik-Disziplinen, die für Wähler wichtig sind, hat der Freistaat Bestnoten unter den deutschen Ländern. Was störte es da schon, dass der Mann an der Spitze eine ganz und gar unbayerische Ungemütlichkeit und Rastlosigkeit an den Tag legte?

Doch vergangene Verdienste - das weiß erst recht ein durchgreifender Machtpolitiker wie Stoiber - zählen nicht viel in der Politik. Das CSU-Partei-Establishment mag noch so viele Solidaritätsadressen für ihn zu Protokoll geben, in der Partei wie im Wahlvolk finden gewaltige "tektonische Verschiebungen" (Professor Oberreuter) statt. Das belegen nicht zuletzt die jüngsten Meinungsumfragen, nach denen inzwischen 60 Prozent der Bayern den Stoiber-Edmund nicht mehr als Spitzenkandidaten sehen wollen.

Vielleicht rächt sich jetzt, dass Stoiber ist, wie er eben ist: Einer, der zwar nach wie vor unglaublich gescheit und schnell ist, den man sich aber als Freund nicht vorstellen kann. Der zwar mit (fast) jedem spricht und auch ein bisschen zuhört, dann aber doch alles besser weiß. Der nach wie vor dazu tendiert, alles zur Chefsache zu machen und sich dann sogar berufen fühlt, anlässlich der "Affäre" um den Braunbären Bruno der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Risiko-, Schad- und Problembären zu erklären. Der alle Vorhaben mit dem Brustton der ganz grundsätzlichen Überzeugung vorträgt und dem man doch nicht wirklich abnehmen mag, dass er irgendetwas von Bedeutung tatsächlich um der Sache willen betreibt.

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ging in seinen Memoiren überraschend milde mit dem CSU-Chef um. Stoiber sei ein "ängstlicher Mensch", befand Schröder und traf damit wohl das, was den dumpfen Unmut der Bayern wohl am ehesten auslöst. Der CSU-Chef ist wenig souverän, er will alles wissen und strebt nach Totalkontrolle: über sich selbst, sein Umfeld, die bayerische Staatsregierung, die Partei. Wenn es unangenehm wird, wenn beispielsweise eine forsche CSU-Landrätin wie Gabriele Pauli aus der Reihe tanzt und den Aufstand probt, dann geht der Chef erst mal in Deckung, auf Tauchstation und schickt seine "Büchsenspanner" vor.

Die Angst davor, irgendetwas falsch zu machen oder eine Chance auszulassen, hinderte Stoiber der Reihe nach daran, Bundespräsident, EU-Kommissionspräsident oder Bundeswirtschaftsminister zu werden. Stoiber habe sich "furchtsam wie ein Hase in die Furche gedrückt", befand der Waidmann und CSU-Landtagsabgeordnete Sebastian von Rotenhan einmal. Das hätte er besser gelassen, denn jetzt steht der Freiherr selbst auf der Abschussliste: Für die Landtagswahl 2008 dürfte er nicht mehr antreten.

Fürths Landrätin Gabriele Pauli ist mithin nicht die Erste, die Stoiber herausfordert. Aber sie hat vom "System Stoiber" in Form des Bespitzelungsversuchs durch Stoiber-Intimus Michael Höhenberger eine Steilvorlage erhalten und diese auch schon in ein Tor gegen den FC Bayern-Beiratsvorsitzenden Stoiber verwandelt: Höhenberger musste als Stoibers Bürochef gehen.

Nach allerlei Attacken spielt die attraktive Landrätin nun auch noch die frauenfeindliche Karte. Stoiber gehöre offensichtlich zu den Männern in der Politik, die Frauen auf gleicher Augenhöhe nicht akzeptieren könnten, mutmaßte sie gestern spitz. Stoiber begegnete dem Vorwurf prompt so, wie er allen Vorwürfen begegnet: Er schickt zunächst andere vor, die den Gegner durch Fakten widerlegen sollen.

In einer Solidaritätserklärung betonten die Landesministerinnen Christa Stewens (Soziales) und Emilia Müller (Europa), Stoiber sei die Berücksichtigung von Frauen bei der Gremienbesetzung "ein Herzensanliegen". Auch junge CSU-Abgeordnete wie Daniela Raab oder Christine Haderthauer - beide Anwärtinnen auf Höheres - lehnten "die Methoden von Frau Pauli kategorisch ab" und stellten sich damit schützend vor Stoiber. Was einen CSU-Mann zu der sarkastischen Bemerkung veranlasste: "Wenn Stoiber das jetzt nötig hat, ist er wirklich am Ende."

Kein Zweifel: Stoiber hat Frauen in der CSU gefördert, wo er nur konnte. Er hat versucht, sie auf günstige Listenplätze und in sein Kabinett zu hieven, mitunter auch sehr zum Unmut männlicher CSU-Platzhirsche. Freilich setzt er sich meist für Frauen ein, die ihn uneingeschränkt als Vorgesetzten anerkennen. Aufrührerische Rothaarige wie die Motorradfahrerin Pauli passen in der Tat nicht in das Gruppenbild der Stoiber-Bewunderinnen, ebenso wenig die machtbewusste Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er komme mit der CDU-Chefin nicht klar, soll Stoiber nach seinem Rückzug aus Berlin Papst Benedikt XVI. gebeichtet haben, wie damals die "Bild"-Zeitung berichtete.

Hat der Familienvater, der seine Ehefrau "Muschi" nennt, tatsächlich ein Problem mit der Weiblichkeit? Dass in der Auseinandersetzung zwischen Pauli und Stoiber auch diese Frage noch aufs Tapet gekommen ist, entsetzt die CSU-Führungskreise. Dabei hat sich die Partei schon früher über den speziellen stoiberschen Umgang mit dem anderen Geschlecht öffentlich lustig gemacht. Auf einem fröhlichen Parteitags-Delegiertenabend in Nürnberg stellten die Parteifreunde Stoiber vor die Wahl zwischen einem Stapel Akten und der damals frisch in die CSU eingetretenen bayerischen Schönheitskönigin Sheila Malek. Stoiber zögerte einen Moment, dann griff er sich die neue Parteifreundin und alles lachte. Doch das war vor fünf Jahren.