Libanon: Deutscher Marineverband in Wilhelmshaven zum Einsatz ausgelaufen. Für viele ist es der erste Einsatz. Kommandeur Krause: “Mein Streben wird es sein, alle mir anvertrauten Frauen und Männer wohlbehalten wieder nach Hause zu bringen.“

Wilhelmshaven. Es gab mal Zeiten, da hieß so etwas "Kaiserwetter". Doch daran mag sich speziell in Wilhelmshaven heute kaum jemand gern erinnern. Wenngleich das Ereignis einen Marinefan wie "SM" - Seine Majestät - Wilhelm II. sicherlich begeistert hätte. Immerhin laufen acht deutsche Schiffe bei strahlendem Sonnenschein aus, um fern von zu Hause im Nahen Osten eingesetzt zu werden. 1000 Soldaten an Bord. Und mindestens ebenso viele Angehörige auf der Pier.

Der Bahnhof, der dem Verband zu seinem Abschied bereitet wird, ist groß. Sehr groß. So groß, dass es Ulli Baumgarten nicht mehr auf der Pier hält. Im dichten Mediengedränge am Heck des Flaggschiffs "Mecklenburg-Vorpommern" stürzt der Berliner Fotograf mitsamt seiner Ausrüstung in die Jade zwischen Kaimauer und Fregatte und hat wegen seines schweren Rucksacks zu kämpfen, um an der Wasseroberfläche zu bleiben. Ein Rettungsring fliegt. Baumgarten bleibt zum Glück bis auf eine Platzwunde am Kopf unverletzt.

Der Dienstherr ist auch da. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung, im Schlepp Marineinspekteur Wolfgang Nolting und den Flottenchef, Hans-Joachim Stricker. Viele Absperrungen, viele Regularien, viele Sorgenfalten auf dem Gesicht des Verbands-Kommandeurs Andreas Krause.

Doch die hat der Flottillenadmiral nicht nur wegen der Prominenz und der rund 150 angereisten Journalisten. Krause weiß, dass er die Frauen und Männer auf den zwei Fregatten, vier Schnellbooten und zwei Versorgungsschiffen seines Verbands in eine Mission führen wird, die alles andere als ein ruhiges Auf-und-Abschippern vor der libanesischen Küste verspricht.

"Dieser Einsatz ist nicht ungefährlich", sagt Krause in seiner Ansprache vor den angetretenen Besatzungen. "Doch wir sind professionell vorbereitet, und dieser Verband ist sehr gut ausgerüstet." Bewusst weicht der 49 Jahre alte Kommandeur vom Protokoll ab: "Die Honoratioren und Vertreter der Bundespolitik mögen es mir nachsehen. Doch hier und jetzt stehen die Besatzungen und ihre Familien und Freunde im Mittelpunkt." Und mit den folgenden Worten trifft der Admiral den Nerv dieser Menschen genau: "Als Ehemann und Vater weiß ich - die Zeit der Trennung wird lang werden. Mein Streben wird es sein, alle mir anvertrauten Frauen und Männer wohlbehalten wieder nach Hause zu bringen."

Das mit dem Abschied ist dann so eine Sache. Hundertfache Wehmut liegt über den Schiffen und Booten an der Pier des Marinestützpunkts, der berühmten "4. Einfahrt". Tränen rollen offen, auch versteckt, und den Besatzungen in ihrer blauen Arbeitskluft steckt so mancher Kloß im Hals. Einige versuchen es cool. "Bei Marineangehörigen gehört Abschiednehmen dazu. Da kann es schon vorkommen, dass die Kinder sich verabschieden, ohne zu weinen", sagt Fregattenkapitän Ulrich Reinecke. Er kommandiert das Flaggschiff "Mecklenburg-Vorpommern".

Unter den neun Soldatinnen, die bei ihm an Bord sind, ist auch Amelie Rohr aus Leipzig. Sie ist weniger locker drauf. "Mulmig" sei ihr, sagt die 22-Jährige. Und Kai Mikutta, der mit dem Schnellboot "Dachs" in See stechen wird, spricht von einer Gefühlsmischung aus Stolz und Angst.

Wohl auch, weil allen bewusst ist, welche Zäsur ihre Reise markiert. Zum ersten Mal wird sich Deutschland bewaffnet im Nahost-Konflikt einmischen. "Robust, aber nicht offensiv", wie Verteidigungsminister Jung betont. "Historisch" ist das Wort der Stunde. Ein großes Wort, vor dem ein 20 Jahre alter Zeitsoldat schon mal schaudern darf.

Erst recht, wenn es - wie für viele im Verband - zum ersten Mal in den Einsatz geht oder überhaupt zum ersten Mal für längere Zeit auf See. Der Kommandeur versucht deshalb, ihnen Selbstvertrauen zu geben. Und macht keinen Hehl daraus, dass die zurückliegenden Wochen mit der Warterei auf die politische Entscheidung und der damit einhergehenden Ungewissheit anstrengend waren. "Es ist gut, dass wir nun alle zusammen sind. Es ist gut, dass es jetzt auch in See geht und das wiederholte Abschiednehmen ein Ende hat. Vor uns liegt eine raue Passage durch die Biskaya, da werden die Seebeine schnell wachsen", sagt Andreas Krause. "Anchors aweigh", auch als "Grüße an Kiel" bekannt, spielt das Marine-Musikkorps danach.

Und dann ist es so weit. Eines nach dem anderen legen die Fregatten, Schnellboote und Versorger ab. Zu "Muss i denn zum Städtele hinaus" laufen die "Karlsruhe", dann zwei dänische Schnellboote, die sich dem deutschen Verband anschließen, die vier deutschen Schnellboote "Nerz", "Dachs", Ozelot" und "Hyäne" aus, gefolgt vom Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main", einer dänischen Fregatte, dem Flaggschiff "Mecklenburg-Vorpommern" und dem Tender "Elbe".

Die Wünsche, die sie begleiten, sind vielfältig. "Dachsecke Werne grüßt S 77 Dachs" steht auf dem Transparent eines Fanklubs des Schnellboots. "Macht's gut" und "Gute Fahrt" prangt an den Fensterscheiben der Stützpunktgebäude. Die stummen Wünsche zählt niemand.

"Machen Sie nicht drei Kreuze, dass es los geht?", wird Kapitän zur See Dirk Koch kurz vor dem Auslaufen noch gefragt. Der Chef des Stabes grinst: "Zwei Kreuze. Drei mache ich erst, wenn wir wohlbehalten wieder hier eingelaufen sind."