Integration: Zuwanderer lernen in Kursen 600 Stunden lang die Sprache der Menschen um sie herum. Nur wer versteht und verstanden wird, hat überhaupt eine Chance. Ein Besuch in Hamburg.

Hamburg. Fröhliches Gelächter dringt aus den Räumen im 5. Stock des Hauses am Steindamm 9. Aicha und Estefani kaufen ein. "Guten Tag. Ich hätte gern ein Brot", sagt Aicha. "Gern", entgegnet Estefani. "Sonst noch etwas?" Aicha zögert - schon mischen sich die anderen ein und sagen ihr, was sie noch einkaufen soll: "Ein Packung Milch! Banana! Ein Kilo Apfel!"

Lehrerin Keti Kasradze hat alle Hände voll zu tun, die versammelten Fehler zu korrigieren. 16 Zuwanderer aus über zehn Nationen nehmen an dem Integrationskursus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) teil. Sie spricht laut, gestikuliert - und bringt ihre erwachsenen Schüler zum Lachen. "Sprich nicht so böse, bitte", ermahnt sie Khemiri Ezzedine. "Wir sind hier doch nicht bei der Polizei!" Der junge Mann schaut verdutzt und muss auch grinsen.

Die 43-jährige Georgierin hat Germanistik, Linguistik und Erziehung studiert, mit den Schwerpunkten interkulturelle Bildung und Erwachsenenbildung. Seit Januar unterrichtet sie hier. Worauf es ankommt? " Motivation ist wichtig", sagt sie. "Man muss das Selbstbewusstsein der Kursusteilnehmer stärken."

Im ersten Quartal 2006 nahmen nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bundesweit mehr als 133 000 Zuwanderer an Integrationskursen teil. Die Bestrebungen der Großen Koalition, die Kurse auf 900 Unterrichtsstunden auszubauen, begrüßt AWO-Kursuskoordinator Wolfgang Haeger. Derzeit sind 630 Stunden vorgesehen: 600 entfallen auf den Sprachkursus, 30 auf den Orientierungskursus, in dem Landeskunde vermittelt wird. Darin geht es um die deutsche Rechtsordnung, Geschichte und Kultur. Einen Schwerpunkt bildet die Vermittlung von Werten wie Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit. "Eigentlich bräuchte man mindestens 900 Sprachstunden", sagt Haeger. "Und 100 Stunden Landeskunde." Teilnehmer, die erst vor kurzer Zeit eingereist sind, wissen oft nur, wie man Guten Tag sagt. "Außerdem sollte das BAMF mehr Geld für die Lehrer bereitstellen", sagt er. Derzeit werden pro Unterrichtsstunde und Teilnehmer 2,05 Euro erstattet.

Auch wenn der Kursus, den Kasradze heute unterrichtet, erst seit einem Monat stattfindet, wissen bereits alle Teilnehmer, wie man sich in Deutschland begrüßt. "Die Höflichkeit ist hier sehr wichtig", erklärt Kasradze. 1996 kam sie selbst aus Georgien nach Deutschland. Sie weiß genau, was Ausländern in Deutschland Schwierigkeiten bereiten kann. "Bei uns in Georgien grüßt keiner, wenn er ein Geschäft betritt", erzählt sie. "Aber bei uns gilt das auch nicht als unhöflich. In Deutschland aber schon."

Fatima Anyasseri hört den Worten der Sprachlehrerin aufmerksam zu. Die Sonne scheint durchs Fenster herein, es muss sehr warm unter ihrem schwarzen Schleier sein. Die 34-jährige Irakerin lebt seit neun Jahren in Barmbek, hat drei Kinder. "Ich möchte verstehen, was die Menschen auf der Straße sagen", sagt sie in der Pause. Anfang des Jahres hatte ihr Mann einen Kursus absolviert - da war sie neugierig geworden. Er hatte nichts dagegen, dass sie Deutsch lernt. Fatima würde später gern als Kindergärtnerin arbeiten. Sukhpreet Kaur ist 23 Jahre alt. Sie kam vor vier Jahren aus dem Punjab nach Hamburg. Die Inderin möchte Krankenschwester werden. Estefani Riken aus der Dominikanischen Republik lebt seit zehn Jahren in Mümmelmannsberg. Sie würde gern U-Bahnen fahren. Allen Berufswünschen ist gemein, dass man die deutsche Sprache beherrschen muss, um sie erlernen und ausüben zu können. Und dass Deutschland Leute, die diese Berufe ausüben wollen, dringend braucht.

Beruf und sprachliche Fähigkeiten sind voneinander abhängig. Ohne deutsche Sprachkenntnisse gibt es keinen Job. Und ohne Job vergisst man schnell wieder, was man in den 630 Stunden gelernt hat. "Wenn die Kursusteilnehmer im Anschluss keine weiterführenden Angebote für eine Qualifizierung oder einen Job bekommen, dann sprechen sie maximal sechs Monate noch so gut Deutsch", sagt Claus Gotha, Geschäftsführer des AWO-Landesverbands Hamburg. Er plädiert deshalb neben dem Ausbau der Integrationskurse auch für eine Erweiterung der sogenannten Migrationserstberatung, die die Teilnehmer zielgerichtet unterstützt. Darüber hinaus wäre eine professionelle Hilfestellung bei der Arbeitssuche unbedingt notwendig. "Nur so können wir verhindern, dass die Zuwanderer dauerhaft von unseren Sozialsystemen abhängen", sagte er, "und damit auch eine soziale Integration möglich wird."