Gesetzesplan: Die Ehepartner müssen sich vorher über die Trennung einigen. Anwälte und Richter halten die geplante Vereinfachung für nicht durchführbar und befürchten viele nachträgliche Klagen und Verhandlungen.

Hamburg. Betroffene wissen es aus leidvoller Erfahrung: Scheidungen tun nicht nur weh, sie können sich auch lange hinziehen und teuer werden. Die anwaltliche Beratung und die Prozeßkosten lassen das dann ohnehin zu teilende Vermögen noch einmal schrumpfen. Das will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ändern und das Scheidungsverfahren vereinfachen. Nach dem Gesetzentwurf könnten scheidungswillige kinderlose Ehepaare dieses Verfahren wählen, wenn sie die Anerkennung der "Blitzscheidung" sowie die Vereinbarung über Unterhalt, Wohnung und Hausrat beim Notar beurkunden lassen. Daraufhin spricht der Familienrichter die Scheidung aus. Bisher muß auch bei einvernehmlichen Scheidungen ein Anwalt eingeschaltet werden.

Derzeit erarbeiten die Interessensverbände ihre Stellungnahmen zu den Vorstellungen der Ministerin. Vor allem von den Rechtsanwälten hagelt es heftige Kritik, aber auch die Richter sind sehr skeptisch. Die alleinigen Notare, vertreten im Notarverein, sehen die künftige Mehrarbeit hingegen positiv.

Wolfgang Schwackenberg hingegen, Familienrechtsexperte des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) und in Oldenburg als Rechtsanwalt und Notar tätig, sieht die auch die Notare mit der neuen Aufgabe völlig überfordert - zeitlich und fachlich. "Das Verfahren bietet zuwenig Schutz für den Bürger", sagt Schwackenberg. Der DAV lehnt den Gesetzentwurf ab.

"Das ist faktisch nicht durchführbar und ungefähr so durchdacht, wie das Dosenpfand", sagt auch der Hamburger Fachanwalt für Familienrecht, Guido Schilling. "Wenn die Paare sich beim Notar geeinigt haben, geschieden werden und die Ehefrau erfährt hinterher, daß sie eigentlich Unterhalt bekommen müßte, dann wird im nachehelichen Verfahren der Unterhalt eingeklagt. Da die Frau aber schon das Gefühl hat, sie sei hintergangen worden, führt sie mit Vehemenz diesen Rechtsstreit", sagt er.

Auch die Hamburger Familienrechtsanwältinnen Britta Schönborn und Melanie Franke fürchten, daß es eine "Scheineinigkeit" geben wird, die letztlich zerbricht und doch mit der Einschaltung von Anwälten endet. Beim Notar, der ein unparteilicher Berater sein muß, würden die Scheidungswilligen Gefahr laufen, nicht richtig beraten zu werden, meint Melanie Franke.

In die gleiche Kerbe schlägt der Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, Prof. Dr. Gerd Brudermüller. Schwierig und arbeitsintensiv seien "die Regelungen der Scheidungsfolgen: Ehegattenunterhalt, Teilung des Hausrats, Zuweisung der Ehewohnung, Vermögens- und güterrechtliche Auseinandersetzungen, Schuldenregulierungen". Die Beratung durch Fachanwälte sei "unabdingbar", schreibt Brudermüller in der Zeitschrift "Forum Familienrecht". Der Deutsche Richterbund sieht zudem keine Entlastung für die Richter.

Doch wo die einen den Nachteil sehen, stellen die Notaren gerade ihre Neutralität als Vorteil heraus. Das vereinfachte Verfahren sei "besonders geeignet, den Schutz von schwächeren oder unerfahreneren Ehepartnern zu gewährleisten" und führe "zur finanziellen Entlastung der Bürger und der öffentlichen Haushalte", heißt es in der Stellungnahme des Notarvereins. Wie hoch diese sein könnte, ist nicht klar.

Die Entlastung der öffentlichen Kassen ist nach Meinung der Anwälte der eigentliche Grund hinter der Gesetzesinitiative. Damit solle die Prozeßkostenhilfe für Bedürftige, also die Übernahme der Anwalts- und Gerichtskosten durch den Staat, gespart werden. 85 Prozent davon entfällt auf Familienverfahren. Jemand, der Prozeßkostenhilfe erhält, muß vom Notar unentgeltlich beraten werden.