Landtagswahl: In Sachsen-Anhalt stellt sich Landesvater Böhmer schon auf einen neuen Partner nach der FDP ein

Magdeburg. Glaubt man den Umfragen, dann wird die CDU/FDP-Koalition in Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag abgewählt, weil die Liberalen von 13 auf sechs Prozent abstürzen. Und wie schnell eine politische Freundschaft angesichts solcher Prognosen erkaltet, konnte man jetzt in Magdeburg erleben.

Bei einer Podiumsdiskussion der Spitzenkandidaten gab sich der amtierende Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, CDU, schon gar keine Mühe mehr, Loyalität mit dem kleinen Regierungspartner zu heucheln. Er stellte sich demonstrativ neben den Sozialdemokraten Jens Bullerjahn und verkündete, er habe "Schwierigkeiten", sich eine Fortsetzung der CDU/FDP-Koalition vorzustellen: Jedes zweite Wahlkampfplakat der FDP konterkariere ja die Ziele der CDU! Das war auf den Protest der FDP gegen die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung gemünzt. Als Böhmer dann durchblicken ließ, daß er für den - unwahrscheinlichen - Fall einer dünnen schwarz-gelben Mehrheit nicht bereit sei, mit den Liberalen weiterzuregieren, gefroren Karl-Heinz Paque endgültig die Gesichtszüge.

Das war der Augenblick, in dem der gebürtige Saarländer, der Böhmer seit Mai 2002 als Finanzminister gedient hat, wußte, daß seine Zeit abgelaufen ist. Konsterniert mußte Paque mitansehen, wie familiär Böhmer und Bullerjahn bereits miteinander umgehen. Respektvoll- artig der eine, jovial-gemütlich der andere, wie Vater und Sohn eben - Böhmer ist 70, Bullerjahn 43.

Trotzdem gibt es noch Leute, die dem blauäugigen Genossen nicht ganz über den Weg trauen, obwohl Bullerjahn bei jeder sich bietenden Gelegenheit beteuert, daß eine Koalition mit der PDS für die SPD nicht in Frage kommt. Das liegt daran, daß man sich in Sachsen-Anhalt nur zu gut an das sogenannte "Magdeburger Modell" von Reinhard Höppner erinnert, der sich und sein SPD-Minderheitskabinett acht Jahre lang von der PDS abhängig machte und das Land dabei mehr und mehr ins wirtschaftliche Abseits führte.

Davon abgesehen wundert man sich allerdings auch über die ruppigen Töne, die Bullerjahn in diesem Wahlkampf ab und zu anschlägt. Allerdings nur, wenn Böhmer nicht in der Nähe ist. Dann mosert der SPD-Mann, daß er es für "eine Mischung aus Abgehobenheit und Feigheit" hält, daß der Ministerpräsident der persönlichen Auseinandersetzung zu oft im Wahlkampf ausweicht.

Tatsächlich hat die CDU vor allem ein Böhmer-Großposter vor dem Allee-Center aufhängen lassen. Der Landesvater, geschätzte zehn Meter groß, dem Betrachter ernst in die Augen schauend, daneben nur die Worte: "Der Garant". Mehr ist offenbar nicht nötig. Bei stabilen 36 Prozent ortet die jüngste Umfrage die Christdemokraten. Die SPD liegt bei 27 Prozent, die PDS bei 22, die FDP bei sechs Prozent. Und da Bullerjahn immer wieder versichert hat, ein rot-rotes Bündnis komme für ihn nicht in Frage, scheint alles auf eine große Koalition hinauszulaufen. Nach Berliner Muster, gewissermaßen. Und vorausgesetzt, es kommt so wie vorhergesagt. Was, wie jeder seit der letzten Bundestagswahl weiß, nicht der Fall sein muß.

Die größte Unbekannte bei dieser Landtagswahl ist die DVU. Die Rechtsextremisten, die 1998 mit 12,9 Prozent für eine Sensation sorgten, sich anschließend im Parlament selbst zerfleischten und 2002 pausierten, treten dieses Mal wieder an. Verstärkt werden sie durch drei NPD-Mitglieder, denen sie gute Listenplätze einräumten.

DVU-Spitzenmann ist Ingmar Knop. Ein Mann, der bei weitem nicht so rabiat aussieht, wie es die Wahlkampfplakate seiner Partei - "Kriminelle Ausländer raus!", "Schnauze voll? DVU!" - vermuten lassen. Knop ist schmal, wirkt gepflegt und wird nur laut, wenn ihm "Nazis raus!"-Rufe entgegenschallen. Wie in Magdeburg, wo Kommunisten stören wollten.

In Meinungsumfragen haben sich maximal 3,5 Prozent dazu bekannt, am Sonntag rechts zu wählen. Aber das sagt bekanntlich nichts. Wer mit den Rechtsextremisten sympathisiert, behält das für sich. Das war ja auch der Grund, warum das demokratische Deutschland aus allen Wolken fiel, als die DVU am 26. April 1998 aus dem Stand 16 Parlamentssitze errang.

Ingmar Knop ist intelligent genug einzuräumen, daß man "keine Vollbeschäftigung erreicht", wenn man alle Ausländer nach Hause schickt, die in Sachsen-Anhalt leben. Das sind ja nur 1,9 Prozent. Und die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als 20 Prozent. Warum dann die dumpfen, ausländerfeindlichen Parolen? "Die Billiglöhner", sagt Knop, sollten auch verschwinden. Sieben Prozent, schätzen die Demoskopen, könnten am Sonntag für die DVU abfallen. Das braune Schreckgespenst geht um in Magdeburg.