Wahlkampf: Halberstadts Landrat beugt sich Druck der NPD - und löst Empörung aus. Der Liedermacher wollte in einer Schule gegen Rechtsradikalismus singen, NPD drohte mit Gegenauftritt. Absage für viele eine “Bankrotterklärung der Politik“.

Berlin. Sachsen-Anhalts Innenminister war nicht amüsiert. "Bei allem Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung", ließ Klaus Jeziorsky die Öffentlichkeit wissen, sei es für ihn "nicht nachvollziehbar", daß Landrat Henning Rühe (parteilos) dem Druck der NPD nachgegeben und das Konstantin-Wecker-Konzert in Halberstadt untersagt habe. Vor den Drohungen "rechtsextremer Kräfte", so der CDU-Politiker, dürfe man nicht einknicken.

Als der Innenminister sich endlich äußerte, war der Fall aber gewissermaßen schon vom Tisch. Wecker war am Mittwoch abend nicht, wie eigentlich geplant, in der Aula des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums von Halberstadt aufgetreten, sondern 160 Kilometer weiter südlich jenseits der Landesgrenze: im Angergymnasium von Jena. Von dort aus hatte der bayerische Liedermacher die Halberstädter wissen lassen, er sei "empört" und lasse sie nicht im Stich. Er komme im Sommer! Vorausgesetzt, "daß es Leute gibt, die uns einladen"!

Die NPD, die Weckers Auftritt mit der Drohung verhindert hat, wenn man Wecker in einem öffentlichen Gebäude auftreten lasse, werde sie das gleiche Recht für sich einfordern und dort "umfangreiche Veranstaltungen zu nationalen Themen" durchführen, ist ob ihres Erfolgs erwartungsgemäß in Triumphgeheul ausgebrochen. Das "gutmenschliche Spießbürger-Gejammer" sei groß, hieß es auf der Website des "Nationalen Beobachters" aus Wernigerode, und die Redaktion fordere alle "Gutmenschen" ausdrücklich dazu auf, sie mit ihrem "Brei" zu beglücken: "Schreibt ruhig. Wir haben im Kameradenkreis gern etwas zum Lachen."

Landrat Rühe, über den in dieser Woche ein Sturm der Entrüstung hinweggefegt ist, hat das nicht irritiert. Jedenfalls nicht erkennbar. Obwohl der Zentralrat der Juden seine Entscheidung als "Bankrotterklärung der Politik" bezeichnet und hinzugefügt hat, "statt sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für die Durchführung des Konzerts einzusetzen", hätten Kommunalpolitiker in Halberstadt vor rechten Antidemokraten kapituliert. Rühe hat gestern verkündet, er würde immer wieder so entscheiden, wie er entschieden hat: Schulen dürften nicht zur NPD-"Plattform" werden.

Am 26. März wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Daß Konstantin Wecker im Rahmen seiner "Antifa Tour 2006" auch in Halberstadt unter dem Motto "Nazis, raus aus unserer Stadt" auftreten wollte, war seit Wochen bekannt. Daß der Münchner seit Jahren mit der PDS sympathisiert, war ebenfalls kein Geheimnis. Und Matthias Heyden, der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Halberstadt/Wernigerode, hat bereits am 8. Februar beim zuständigen Ortsamt gegen das Wecker-Konzert protestiert und verlangt, der Musiker solle den Begriff "Antifa" auf den Plakaten weglassen; andernfalls werde die NPD "an dieser Veranstaltung massiv teilnehmen". Warum hat der Innenminister erst reagiert, als alles vorbei war?

Wecker, der sonst viel Wert darauf legt, ein politisch engagierter Künstler zu sein, stellte sich nun betont naiv. Ja, bestätigte der 58jährige, die Behörden hätten ihn aufgefordert, das Wort "Antifa" zu überkleben. "Aber entschuldigen Sie mal - das schreiben sich doch auch die großen bürgerlichen Parteien auf ihre Fahnen!" Wecker hat erklärt, er mache "überhaupt keinen Wahlkampf" und sei auch nicht Mitglied irgendeiner Partei. Heydens Argumente seien deshalb "fadenscheinig" gewesen. Alles in allem sei er, Wecker, aber sehr dankbar, "diese Probleme" vor Ort erlebt zu haben. Der Fall habe aufgedeckt, daß es den Rechtsradikalismus nach wie vor gebe.