KARLSRUHE. Einen Tag vor dem Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz hat der FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch seine Verfassungsbeschwerde verteidigt. Der Staat dürfe nicht Leben gegen Leben abwägen und vorsätzlich unschuldige Menschen abschießen, sagte Hirsch gestern. FDP-Parteichef Guido Westerwelle zeigte sich überzeugt, daß das Bundesverfassungsgericht der Klage von Hirsch und fünf weiteren Antragstellern stattgeben wird.

Die mit großer Spannung erwartete Entscheidung wird heute verkündet. Das noch unter Rot-Grün vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eingebrachte Regelwerk sieht im Extremfall den Abschuß voll besetzter Passagierflugzeuge vor, wenn damit ein Terroranschlag verübt werden soll, dem noch mehr Menschen zum Opfer zu fallen drohen.

Auch eine gut gemeinte Absicht des Staates rechtfertige nicht den Abschuß von Flugzeugen, bei dem unschuldige Passagiere und Menschen am Boden ums Leben kommen könnten, sagte Hirsch. "Wir sind bei der Frage, ob wir wegen Straftätern unsere eigene Rechtsordnung demolieren - das, was über Jahrhunderte an Rechtswissen und ethischer Überzeugung aufgebaut worden ist", mahnte Hirsch.

Gegen das Gesetz haben neben Hirsch auch der ebenfalls der FDP angehörende Ex-Innenminister Gerhart Baum, drei weitere Anwälte und ein Berufspilot Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie halten eine derartige gezielte Tötung Unschuldiger für einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Dagegen sieht SPD-Fraktionschef Peter Struck der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Luftsicherheitsgesetz zuversichtlich entgegen. Er gehe davon aus, daß das Gericht das vom Bundestag beschlossene Gesetz bestätige, sagte Struck. Wenn nicht, müsse geprüft werden, welche rechtlichen Konsequenzen zu ziehen seien.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Andreas Schmidt, hält den Einsatz der Bundeswehr zum Abschuß von Flugzeugen im Rahmen des Luftsicherheitsgesetzes für problematisch. "Für mich deckt der Wortlaut des Grundgesetzes einen solchen Einsatz nicht", sagte der CDU-Politiker. In der Sache sei eine Erlaubnis von Flugzeugabschüssen als letztes Mittel aber richtig.

Von dem Urteil werden darüber hinaus Hinweise zu den verfassungsrechtlichen Grenzen für einen Bundeswehreinsatz im Inneren erwartet. Davon wiederum wollen die Parteien der großen Koalition im Bund abhängig machen, ob sie noch eine Grundgesetzänderung anstreben, die vor allem von CDU und CSU immer wieder gefordert worden war.

Die SPD hat dagegen ebenso wie die FDP und die Grünen, aber auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), die Übernahme polizeilicher Aufgaben für die Bundeswehr bislang abgelehnt. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein bayerischer Amtskollege Günther Beckstein (CSU) wiederum wollen die Soldaten bereits zum Schutz der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer heranziehen.