Analyse: Weshalb zwei Bundeswehr-Generale entlassen wurden

Hamburg/Berlin. Begonnen hat alles im vergangenen Sommer mit einem Streit um schmutziges Geschirr. Dann wurde schmutzige Wäsche gewaschen, und am Ende hielten zwei Drei-Sterne-Generale der Bundeswehr plötzlich ihre Entlassungsurkunden in der Hand. Sie wehren sich und weisen den Vorwurf ihres Ministers, Dienstgeheimnisse verraten zu haben, zurück. Doch nach Informationen des Hamburger Abendblattes trifft der Vorwurf ins Ziel. Weshalb sich andere Spitzenmilitärs sorgsam mit Solidarbekundungen für ihre Kameraden zurückhalten. Hinter vorgehaltener Hand werden sie allerdings deutlicher - und sparen nicht mit Kritik am Verhalten der Generale.

Die Affäre begann, wie berichtet, an der Helmut-Schmidt-Universität in Jenfeld. Dort gerät Leutnant Ruwe mit Kameraden seiner Wohnebene in Streit, weil die nach Ansicht von Ruwe den Abwasch nicht ordentlich gemacht hatten. Ruwe beschwert sich darüber schriftlich beim Disziplinarvorgesetzten.

Die Beschuldigten werden einbestellt und legen dann ihrerseits los: Leutnant Ruwe sei schon mehrfach wegen rechtsradikaler und sexistischer Sprüche aufgefallen. Auch dieser Vorwurf wird schriftlich niedergelegt und geht zu den Akten. Die Bundeswehruniversität meldet den Vorgang ordnungsgemäß dem für sie zuständigen Konteradmiral bei der Streitkräftebasis mit dem Hinweis, die Recherche laufe noch, der Fall sei noch nicht abgeschlossen.

Parallel dazu bekommt der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, von der Geschichte Wind, weil sich die von Ruwe Beschuldigten entschließen, ihm eine Beschwerde zukommen zu lassen.

Der Admiral entschließt sich, die Akte seinem Vorgesetzten Generalleutnant Hans-Heinrich Dieter vorzulegen, dem Inspekteur der Streitkräftebasis. Dieter wiederum zeigt sie seinem langjährigen Freund Generalleutnant Jürgen Ruwe, stellvertretender Inspekteur des Heeres und Vater des nun beschuldigten Leutnants. Und das durfte er nicht. Dieter räumt den Vorgang ein, interpretiert dies aber als verzeihlichen Fehler.

Ruwe spricht mit seinem Sohn über die Vorwürfe und gibt ihm auch Einsicht in die Unterlagen. Nach Auffassung des Generalleutnants kein Grund, in den Ruhestand versetzt zu werden. Doch er durfte es nicht tun. Und der junge Leutnant legt bei einem späteren Gespräch mit seinen Disziplinarvorgesetzten sogar die Kopie eines Vermerks aus seiner Akte vor.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung beschließt, die beiden Generale wegen Verrats von Dienstgeheimnissen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Dieter klagt dagegen, Ruwe beantragt gegen sich ein Disziplinarverfahren.

"Was da abgelaufen ist, geht gar nicht", sagt ein höherer Offizier, der nicht genannt werden will, gegenüber dem Abendblatt. "Wenn das in einem Bataillon zwei Kompaniechefs gemacht hätten, wäre sie beide achtkantig rausgeflogen." Dementsprechend sorgt das Verhalten der beiden Generale hinter den Kulissen für Kopfschütteln.

Zuvorderst, weil ein Offizier, sobald er einen Generals- oder Admiralsrang erreicht, jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann. "Ohne Angaben von Gründen", wie es im Soldatengesetz heißt. Und einen Grund habe der Minister in diesem Fall ja nun wirklich gehabt. "Man stelle sich vor, der Minister hätte die beiden nicht entlassen. Dann hieße es, er habe Mauscheleien in seiner Generalität gedeckt. Das wäre eine viel größere Katastrophe", heißt es.

Theorien, wonach sich zum Beispiel Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan der beiden hohen Offiziere entledigen wollte und die Affäre gezielt in die Öffentlichkeit gegeben habe, weil Ruwe und Dieter der Strukturreform der Bundeswehr kritisch gegenüberstanden, finden in Stäben und Truppe wenig Halt. Zumindest Dieter gehöre als Inspekteur der Streitkräftebasis eindeutig zu den Gewinnern der Strukturreform und Ruwe habe keine wirkliche Gefahr dargestellt. Mancher Offizier vermutet daher eher, daß die Affäre Schneiderhan schaden soll.

Doch abseits aller Verschwörungstheorien macht auch eine andere Interpretation ihren Weg über die Flure von Kasernen und Ministerium. Gern fällt bei der Diskussion dieser Geschichte der Begriff "Murphy's Gesetz". Murphy hatte ja bekanntlich formuliert, daß alles auch tatsächlich schiefgeht, was schiefgehen kann. Der alte CDU-Sozialpolitiker Johannes Gerster, in vielen Debatten und Parlamentsintrigen erprobt, brachte es einst anders zum Ausdruck: "Warum Verschwörung vermuten, wenn Dummheit als Begründung ausreicht?"