Breite Mehrheit: Aufmärsche von Rechtsextremisten können künftig einfacher verboten werden. FDP stimmte gegen Kompomiß.

Berlin. Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag eine Verschärfung des Versammlungs- und Strafrechts beschlossen. Die Fraktionen von SPD, Grünen und CDU/CSU stimmten dem Gesetzentwurf am Freitag in Berlin zu, die FDP votierte dagegen. Mit der Novelle soll das Verbot rechtsextremistischer Aufmärsche an bestimmten Gedenkorten erleichtert werden. Zudem soll das Strafgesetzbuch geändert werden: Wer die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft öffentlich billigt, verherrlicht oder rechtfertigt, muß künftig mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Der Bundesrat will sich bereits in einer Woche damit befassen. Seine Zustimmung gilt als sicher.

Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler sagte in der abschließenden Beratung, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit seien für die Demokratie von fundamentaler Bedeutung. Die Gesetzesverschärfung sei daher der falsche Weg in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremen. Stadler kritisierte, daß dieser Bundestag sich mehr und mehr daran gewöhne, in Grundrechte einzugreifen. Im Einzelfall möge das berechtigt sein, in der Summe sei es entschieden zu viel.

Durch die Verschärfung sollen Aufmärsche von Neonazis an historisch sensiblen Orten wie dem Holocaust-Mahnmal in Berlin oder an KZ-Gedenkstätten verboten werden können. SPD, Grüne und Union wollen verhindern, daß Neonazis den 60. Jahrestages des Kriegs-Endes am 8. Mai zu Kundgebungen insbesondere am Brandenburger Tor nutzen.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat die vom Bundestag beschlossene Verschärfung des Versammlungsrechts begrüßt. Damit werde der besonderen Verantwortung Deutschlands für die Opfer des Nationalsozialismus Rechnung getragen, sagte Körting am Freitag. Mit der Präzisierung der Rechtslage sei klargestellt, daß die Würde der Opfer nationalsozialistischer Gewalt nicht verletzt werden darf. Berlin werde jetzt zügig beraten, an welchen Orten Neonazi-Aufmärsche verboten werden sollen.

Die verschärften Gesetzesbestimmungen im Wortlaut

Der Bundestag hat am Freitag das Versammlungs- und Strafrecht verschärft, um rechtsextremistische Kundgebungen besser bekämpfen zu können. Die Gesetzesänderungen haben den folgenden Wortlaut.

In das Versammlungsrecht wird der Passus eingefügt:

"Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und

2. nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. (...)"

Der Volksverhetzungsparagraf 130 des Strafgesetzbuches wird mit einem Absatz 4 ergänzt:

"Mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."