Interne Studie: Die Abkehr von der Wehrpflicht wäre teurer, und, sagen Experten, die Qualität würde sinken.

Berlin/Hamburg. Angenommen die Bundeswehr würde ihren ältesten Grundsatz über Bord werfen und sich von einer Wehrpflichtarmee zur Berufsarmee wandeln. So fordern es die Grünen, das will die FDP, und auch nennenswerte Gruppen bei den Sozialdemokraten sympathisieren mit diesem Gedanken. Also - was wäre, wenn? Dann würde es zumindest teurer, sagt eine Studie des Verteidigungsministeriums. Und qualitativ schlechter, behaupten Experten.

Das interne Papier liegt dem Abendblatt vor. Darin kommen die Autoren zu dem Schluß, daß allein die Personalkosten bis zu 7,2 Milliarden Euro jährlich höher ausfallen können als mit einer Wehrpflichtarmee vergleichbarer Größe.

Grundsätzlich seien die Kostenberechnungen für hypothetische Streitkräftemodelle schwierig, heißt es in der Studie. "Bisher ist es nicht gelungen, die Kosten einer Freiwilligenarmee überzeugend zu erfassen. Eindrucksvoller Beleg dafür mag sein, daß alle unsere Partnerstaaten, die einer Freiwilligenarmee den Vorzug gegeben haben, die Kosten für diese deutlich unterschätzt haben und jeweils erheblich nachsteuern mußten."

Um es überschaubar zu halten, geht das Papier nur auf die Personalkosten ein und kommt zu eindeutigen Ergebnissen: Nimmt man alle Personalausgaben der Bundeswehr - militärisch wie zivil - und bildet daraus einen Durchschnitt, so gibt Deutschland derzeit pro Bundeswehrangehörigen 28 600 Euro im Jahr aus. Das sieht bei unseren unmittelbaren Nachbarn deutlich anders aus: In Frankreich kostet ein Militärangehöriger jedes Jahr 32 900 Euro, in Belgien 38 400 Euro und in den Niederlanden sogar 57 300 Euro. Alle drei Länder haben Berufsarmeen.

Würde man also die französischen Verhältnisse auf die Bundeswehr übertragen, kämen höhere Personalkosten von etwa 1,1 Milliarden Euro heraus, im Fall der belgischen Verhältnisse 2,5 Milliarden Mehrkosten und beim niederländischen Standard sogar 7,2 Milliarden Euro.

Ins Gewicht fällt dabei laut Studie nicht nur die notwendige Gehaltssteigerung, um den Dienst vor allem in den unteren Dienstgraden finanziell attraktiv zu machen. Auch Verbesserungen bei den Zulagen, Verpflichtungsprämien, eine Erhöhung der Versorgungsrücklagen, die Steigerung von zivilberuflichen Qualifikationen mit Ende der Dienstzeit oder Aufwendungen für die Nachwuchswerbung würden zu Buche schlagen.

Sollen die Kosten gleich bleiben, müßte die Bundeswehr schrumpfen: auf rund 217 500 Soldaten bei französischen oder nur noch 125 000 Soldaten bei niederländischen Verhältnissen. In keinem Fall könnte die Zielstärke 250 000 erreicht werden.

Mehr noch als vor dem finanziellen Risiko warnen Experten vor den sozialen Folgen einer Berufsarmee. "Wehrpflichtarmeen gelten inzwischen als die Streitkräfte armer Länder. Doch die Profiarmeen werden in ihren jeweiligen Gesellschaften geringschätziger angesehen als Wehrpflichtarmeen", sagte ein hoher Bundeswehroffizier dem Abendblatt.

Ganz zu schweigen vom Ausbildungsstand der Soldaten. "Ein schwerwiegendes Problem", wie der ehemalige britische Generalstabschef Lord Guthrie gegenüber dem Abendblatt einräumte. Tatsächlich können sich in Großbritannien Strafgefangene für Haft oder Dienst in den Streitkräften entscheiden - wie zu Nelsons Zeiten. Die spanischen Streitkräfte haben die Anforderungen für ihre Bewerber gerade drastisch heruntergeschraubt: Intelligenzquotient von 100 auf 80, und Kraftfahrer müssen keinen Schulabschluß mehr nachweisen, sondern lediglich den Schulbesuch. Rund 20 Prozent der Soldaten kommen gar nicht mehr aus Spanien, sondern aus den spanisch sprechenden Ländern Südamerikas.

In der US Army nähert sich die Quote der Analphabeten der 40-Prozent-Marke. Und die US-Marine, traditionell bekannt für ihren hohen Ausbildungsstand, hat derzeit rund 10 000 Stellen für Unteroffiziere mangels qualifizierter Bewerber nicht besetzt.