Kriminalität: Die Aufgaben wachsen, aber bei den Sicherheitskräften wird technisch und personell gespart.

Hamburg. Es müssten alle Alarmglocken schrillen - doch es herrscht Stille. Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), kann es nicht fassen: "Wir haben eine seit Jahren ansteigende Gewaltkriminalität, und die Anzeichen stehen auf weitere Erhöhung. Dazu kommt die terroristische Bedrohung. Doch personell und technisch ist die Polizei nicht gerüstet."

Nach einer Sommerreise zu Innenpolitikern und Polizeikollegen in Schleswig-Holstein, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hamburg kommt er mit düsteren Prognosen zurück. Die Innenpolitiker, so meint er, predigen Wein und schenken nicht einmal Wasser aus. "Überall wird gekürzt und gestrichen, doch die Anforderungen steigen", sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt.

In den vergangenen fünf Jahren seien deutschlandweit 7000 Polizistenstellen gestrichen worden. Weitere Personaleinsparungen sind vorgesehen. Doch allein um die 300 gewaltbereiten Islamisten rund um die Uhr zu beobachten, wären 6600 Polizisten erforderlich. "Alle 3300 organisierten Islamisten zu beobachten, ist damit ein Ding der Unmöglichkeit" sagt der GdP-Chef.

Zudem habe das Bundesverfassungsgericht die Hürden für den Lauschangriff unüberwindbar hochgeschraubt. Danach sollen die Polizisten die Abhörgeräte abstellen, sobald das Gespräch privaten Charakter erhält. Somit könnte das Band nicht einfach laufen gelassen werden, sondern ein Polizist und oft genug auch ein Dolmetscher müssten rund um die Uhr mithören. Damit wären im Schnitt täglich mindestens 16 Mitarbeiter beschäftigt. Freiberg schüttelt den Kopf: "Das ist doch völlig weltfremd."

Auch technisch hinkt die Polizei hinterher. Die Einführung eines auch für die europaweite Verständigung dringend nötigen Digitalfunks ist auch nach acht Jahren Diskussion noch nicht in Sicht. Ging es bisher immer um die Verteilung der Milliardenkosten, so hakt es inzwischen an der Technik. Es gibt drei konkurrierende Systeme. Das Vergabeverfahren dafür soll nun erst Ende des Jahres beginnen. An eine Einführung vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 ist nicht mehr zu denken.

Am Digitalfunk aber hänge die vernetzte Kommunikation der Polizeien, der Feuerwehren, des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr. Das Verkehrsministerium beginnt nun mit der Ausrüstung ihrer Autobahnmeistereien, weil deren Betrieb so marode ist, dass man auf die Ausschreibung des Innenministeriums nicht mehr warten kann. Ob später die Polizei die gleiche Technik bekommt? Ein Flickenteppich droht.

Auf anderen Gebieten ist er schon da. Polizei ist zwar Sache der Länder, doch bisher herrschte das Konsensprinzip. Angeglichene Gesetze, einheitliche Uniformen, einheitliche Besoldung. Das alles bröckelt. In Hamburg tauschen die Polizisten die grüne gegen eine blaue Uniform. Niedersachsen wird folgen, andere Bundesländer überlegen noch. Auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat angeblich schon eine neue Uniform für den ihm unterstellten Bundesgrenzschutz im Schrank.