An Bord des Schiffes “Nord Star“ wurden Fässer mit einer verdächtigen Chemikalie beschlagnahmt. Sie sollte nach Libyen gebracht werden. Zur Herstellung von Giftgas?

Rom. Hat die italienische Polizei in Genua der Terrororganisation Al Kaida 480 Tonnen chemiewaffenfähiges Material abgenommen? Die Fahnder beschlagnahmten in Genua Fässer mit der verdächtigen Substanz Morpholyn auf dem aus Hamburg kommenden Frachter "Nord Star". Während die Polizei jedoch wegen des Verdachts der Giftgasherstellung ermittelt, streitet der Hersteller BASF die Gefährlichkeit von Morpholyn ab.

Wenn die Staatsanwaltschaft Genua Recht hat, hat Al Kaida versucht, über Hamburg mit Schiffen einer deutschen Reederei den Grundstoff zur Herstellung von Kampfgas nach Libyen zu schmuggeln.

Nach der Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft Genua begann der Krimi im September 2002, in der Wüste bei Bengasi in Libyen: Eine Gruppe Wissenschaftler testet Chemikalien, die harmlos scheinen, sich aber zur Herstellung von Giftgas eignen. Die Wissenschaftler werden fündig: Aus der Chemikalie Morpholyn, die zur Reinigung von Rohren bei der Erdölförderung benutzt wird, lässt sich Giftgas herstellen - glauben sie. Morpholyn ist schwierig zu beschaffen und zu transportieren, denn es entflammt bei 38 Grad Celsius.

Die geheimnisvolle Gruppe nimmt im Oktober Kontakt nach Teheran auf. Iranische Händler wissen, wo sich die Chemikalie beschaffen lässt: über Hamburg. Die staatliche iranische Schifffahrtslinie "Iran Shipping Lines" soll 480 000 Liter chemisch verändertes Morpholyn in der Hansestadt aufnehmen. Als Schiff wird die "Nord Star" von einer deutschen Reederei gechartert. Um keinen Verdacht zu erregen, fährt die "Nord Star" zunächst nach Antwerpen, dann nach Genua. Von dort sollen die Fässer nach Bengasi verschifft werden - nach Meinung der Staatsanwaltschaft an eine Al-Kaida-Adresse.

Am 24. November 2002 verlässt die "Nord Star" den Hamburger Hafen. Der Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen stellte die Lieferung gestern als völlig legal und ungefährlich dar. Morpholyn unterliege keinem Handelsverbot. Die Ladung sei über eine belgische Firma für Libyen zum Rostschutz in der Ölförderung geordert worden. Am 4. Dezember erreicht die "Nord Star" Genua. Als die Fracht im Hafen gelöscht wird, fallen einem Zollbeamten die Fässer auf, die nicht gekennzeichnet sind, aber Chemikalien enthalten. Der US-Geheimdienst CIA hatte kurz zuvor gewarnt, dass in den kommenden Monaten gefährliche Chemikalien über Italien nach Libyen auf den Weg gebracht würden. Die verdächtige Ladung wird beschlagnahmt. Der Kapitän wusste offensichtlich nicht, was er transportierte. In den Frachtpapieren war Düngemittel angegeben worden.

Experten untersuchen noch immer die Gefährlichkeit der Chemikalie. Es handle sich um eine veränderte Form von Morpholyn, heißt es. Experten der chemischen Industrie im Hafen von Genua winken ab: das beschlagnahmte Morpholyn sei ungefähr so gefährlich wie Wodka. Die Chemiker der Staatsanwaltschaft Genua sehen das anders. (SAD)

Ursprünglich dient Morpholyn zur Reinigung von Rohren bei der Erdölförderung.