“Die Hürden sind sehr hoch - zu Recht“, sagte der Vizepräsident des Gerichts, Andreas Voßkuhle, dem Abendblatt.

Karlsruhe. Der 18. März 2003 war kein guter Tag für den demokratischen Rechtsstaat. Es war der Tag, an dem das Bundesverfassungsgericht den Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf ein Verbot der rechtsextremistischen NPD zurückwies. Es bestehe die Gefahr, dass die Partei wegen der zahlreichen V-Leute in den Führungsgremien von außen gesteuert werde, begründeten die Karlsruher Richter ihre Entscheidung. Die Rechtsextremen triumphierten.

Vor allem die SPD dringt seither auf ein neues Verbotsverfahren. "Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass ein Verbot der NPD notwendig ist", sagte Generalsekretär Hubertus Heil dem Hamburger Abendblatt. Innen- und Sicherheitspolitiker der Sozialdemokraten sind davon überzeugt, dass die öffentlichen Äußerungen führender NPD-Mitglieder ausreichten, um die Verfassungsfeindlichkeit der Partei zu belegen. Es gibt sogar Überlegungen, die Forderung nach einem NPD-Verbot in das Wahlprogramm der SPD aufzunehmen.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, warnt jedoch vor allzu großen Erwartungen an ein zweites Verfahren. "Ich kann selbstverständlich keine Prognose abgeben, wie das Bundesverfassungsgericht in einem neuen NPD-Verbotsverfahren entscheiden würde. Aber die Hürden sind sehr hoch - zu Recht", sagte Voßkuhle dem Abendblatt. "Das Verbot einer politischen Partei ist ein sehr scharfes Schwert, das für absolute Ausnahmefälle reserviert bleiben muss. Es bedeutet einen erheblichen Einschnitt in das politische System."

Seit der Entscheidung von 2003 haben sich Bundesverfassungsrichter mit öffentlichen Äußerungen zur NPD zurückgehalten. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier meldete sich einmal in einem Zeitungsbeitrag zu Wort und machte deutlich, dass ein neues Verfahren möglich sei - sofern der Staat auf verdeckte Ermittler in der Partei verzichte. Die Einstellung des ersten Verbotsverfahrens stelle "keine Vorentscheidung über künftige Verbotsanträge dar", schrieb Papier 2005 in der "Bild am Sonntag". Ein Satz, der von Politikern vor allem der Union kritisiert wurde.

An der Spitze der Skeptiker steht nach wie vor Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Um ein NPD-Verbot zu erwirken, müsse eine Verbindung zwischen rechtsextremistischen Gewalttaten und der Partei nachgewiesen werden, meint der CDU-Politiker. Außerdem hält er V-Leute für unverzichtbar. Die Überraschung war daher groß, als der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vor einigen Wochen offenlegte, dass der Verfassungsschutz in vier Bundesländern - Berlin, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz - seine V-Leute inzwischen aus den Führungsgremien der NPD abgezogen habe.

Verfassungsrichter Voßkuhle, der vor einem Jahr auf Vorschlag der SPD berufen worden war, hält es für möglich, dass sich das NPD-Problem von selbst erledigt. Man dürfe nicht vergessen, dass extremistische Parteien "selten sehr stabil" seien, sagte er dem Abendblatt. Das sehe man "an den momentanen Problemen der Partei". Vosskuhle, der als Vorsitzender des Zweiten Senats auch für Parteiverbote zuständig ist, wird im kommenden Jahr voraussichtlich die Nachfolge von Gerichtspräsident Papier antreten. Seine Argumentation bezieht sich auf einen Machtkampf in der Führungsspitze - und auf massive finanzielle Schwierigkeiten der NPD. Wegen eines fehlerhaften Rechenschaftsberichts verlangt der Bundestag eine Strafzahlung von 2,5 Millionen Euro. Nach Einschätzung von Beobachtern droht der Partei die Zahlungsunfähigkeit.