Der Parteiaustritt der früheren Bundesvorsitzenden Angelika Beer ist in der Führung und an der Basis der Grünen auf Unverständnis gestoßen. “Ihre...

Bad Oldesloe/Hamburg. Der Parteiaustritt der früheren Bundesvorsitzenden Angelika Beer ist in der Führung und an der Basis der Grünen auf Unverständnis gestoßen. "Ihre politischen Begründungen kann ich nicht nachvollziehen", sagte der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, dem Hamburger Abendblatt. "Dass eine Partei nach Macht für ihre Inhalte strebt, ist das Wesen einer Partei. Dass die Friedenspolitik bei den Grünen inzwischen eine untergeordnete Rolle spiele, ist schlicht und einfach falsch." Persönliche Motive, von denen Beer ebenfalls gesprochen hatte, könne er nicht bewerten.

Trittin fügte hinzu, er bedauere den Austritt Beers. Sie habe sich "um die Grünen verdient gemacht".

Die gebürtige Kielerin hatte am Sonnabend beim Parteitag der schleswig-holsteinischen Grünen in Bad Oldesloe angekündigt, ihre Partei zu verlassen. Die 51-Jährige, die derzeit noch Europaabgeordnete ist, war im Januar beim Bundesparteitag in Dortmund trotz mehrerer Anläufe nicht auf einen sicheren Listenplatz für die Europawahl am 7. Juni gewählt worden. Ihre Rückzugsankündigung verband Beer unter Tränen mit heftiger Kritik am Kurs der Grünen. In deren Politik spiele "Frieden programmatisch kaum noch eine Rolle", sagte die frühere Radikalpazifistin, die nach 1998 allerdings die rot-grüne Politik internationaler Bundeswehreinsätze mitgetragen hatte. Sie habe "null Verständnis" dafür, "wenn es bei den deutschen Grünen nur noch um das Erringen von Macht geht und dafür den Westerwelles und Kubickis die Wähler in die Arme getrieben werden", sagte Beer unter Anspielung auf die Bundes- und Landesvorsitzenden der FDP, Guido Westerwelle und Wolfgang Kubicki. Sie kündigte an, sich künftig für Friedenspolitik zu engagieren - als Kovorsitzende des internationalen parlamentarischen Netzwerks für Konfliktprävention und menschliche Sicherheit. "Und natürlich bleibe ich grün, wenn auch ohne Parteibuch."

Beer gehörte 1979 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen in Schleswig-Holstein, Parteichefin auf Bundesebene war sie von 2002 bis 2004. Zusammen mit Reinhard Bütikofer wurde sie an die Spitze gewählt, nachdem die Vorgänger Fritz Kuhn und Claudia Roth in einer dramatischen Nachtsitzung nach einer Abstimmungsniederlage über die Trennung von Amt und Mandat zurückgetreten waren.

Bütikofer, der auf Platz zwei der Grünen-Liste für die Europawahl gewählt wurde, äußerte sich ähnlich wie Trittin. Er könne "nicht verstehen, dass jemand, der im Januar noch für einen sicheren Listenplatz bei der Europawahl kandidiert hat, im März feststellen kann, dass es der Partei nur noch um Macht geht", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Die Parteivorsitzende Roth betonte, Beer habe "viel für die Grünen getan". Die Türen seien noch nicht zu.

Auf dem Landesparteitag in Bad Oldesloe reagierten viele Delegierte irritiert auf Beers Erklärung. Der schleswig-holsteinische Parteichef Robert Habeck sagte, zwar lebten die Grünen von unterschiedlichen Ansichten. "Aber wer aus persönlichen Gründen austritt, sollte nicht abstrakte politische Gründe vorschieben."

Habeck wurde von den annähernd 100 Delegierten mit 96,6 Prozent im Amt bestätigt. Die Mit-Vorsitzende Marlies Fritzen erhielt 92,6 Prozent der Stimmen.