Minister will DNA-Untersuchungen “gründlich durchleuchten“. Forscher: keine hundertprozentige Sicherheit.

Stuttgart. Eine der offenbar größten Pannen der deutschen Polizeigeschichte hat gestern eine neue Diskussion über die Zuverlässigkeit von DNA-Tests ausgelöst. Nach Ansicht des baden-württembergischen Justizministers Ulrich Goll (FDP) steht es inzwischen so gut wie fest, dass die jahrelange Fahndung nach dem "Phantom von Heilbronn" tatsächlich - wie berichtet - von verunreinigten Wattestäbchen ausgelöst wurde.

Die an 40 Tatorten in Süddeutschland und Österreich gefundenen DNA-Spuren stammten vermutlich nicht von der angeblichen Serientäterin und Polizistenmörderin, sondern seien eher auf Gen-Partikel zurückzuführen, die sich von vornherein auf Wattestäbchen der Spurensicherung befunden hätten, sagte Goll. Dies habe "eine hohe Plausibilität". Mögliche Auswirkungen auf das Instrument DNA-Test gelte es jetzt "gründlich zu durchleuchten". Zwar sehe er derzeit keine Gefahr, dass Unschuldige verurteilt wurden oder werden, aber man müsse rasch klären, wie es dazu kommen konnte. "War es reine Schlamperei?", fragte Goll.

Die Polizeibehörden wollen umgehend Konsequenzen ziehen. Bundesweit sollen alle polizeilichen Wattestäbchen-Vorräte überprüft werden, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts in Stuttgart. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dringt auf eine schnelle Klärung. "Die Polizei muss sich verlassen können, dass das Arbeitsmaterial einwandfrei ist", sagte GdP-Sprecher Rüdiger Holecek. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte ein Gütesiegel für DNA-Analysen.

Der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes sagte, die Aussagekraft von DNA-Spuren im Rahmen polizeilicher Ermittlungen werde "maßlos überschätzt". Der Professor der Ruhr-Universität forderte ein "Ende dieser Hörigkeit". Zwar gebe es viele Beispiele, dass Genspuren einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten geleistet hätten. Aber es gebe keine hundertprozentige Sicherheit, wie oft suggeriert werde. Bei der Aufnahme und Bewertung gebe es eine Fehlerquote, die man nicht herunterspielen dürfe.

Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte, noch sei die Panne nicht klar erwiesen. Er versicherte, genetische Verfahren seien zuverlässig. "DNA-Tests stehen für mich außer Frage. Das ist ein außerordentlich wirksames Ermittlungsinstrument."