Generalsekretär Hubertus Heil glaubt noch an ein erfolgreiches Superwahljahr - und setzt auch auf Rot-Rot.

Hamburg/Berlin. Hamburger Abendblatt:

23,7 Prozent bei der Hessen-Wahl - ist die SPD noch Volkspartei, Herr Heil?

Hubertus Heil:

Natürlich ist sie das. Das hessische Wahlergebnis war schlecht, aber es hatte hessische Ursachen.



Abendblatt:

Auf Bundesebene sieht es für Sie nicht viel besser aus, das zeigen Umfragen. Erweist sich der Müntefering-Effekt als Negativ-Effekt?

Heil:

Nein. Franz Müntefering ist ein starker Vorsitzender, die SPD ist selbstbewusster, und Frank-Walter Steinmeier gibt in der Bundesregierung den Takt vor. Ich bin froh, dass angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage auch Sozialdemokraten wie Peer Steinbrück und Olaf Scholz Verantwortung tragen. Allein mit Glos und Frau Merkel wäre diese Krise nicht zu bewältigen.



Abendblatt:

Welche Wahlen wollen Sie in diesem Jahr denn gewinnen?

Heil:

Wir setzen bei allen anstehenden Wahlen auf Sieg und nicht auf Platz. Ich habe das Gefühl, 2009 ist viel drin für die Sozialdemokratie, zumal derzeit alle Parteien angesichts der Finanzkrise sozialdemokratisch reden. Wir werden deutlich machen, wer das Original ist, nämlich die SPD. Ich sage voraus: Wir haben alle Chancen, bei allen Wahlen in diesem Jahr stärker abzuschneiden als beim letzten Mal.



Abendblatt:

Stärker abschneiden heißt noch lange nicht regieren.

Heil:

Die Bundestagswahl ist völlig offen. Wir haben das Potenzial, stärkste Fraktion im Bundestag zu werden und Frank-Walter Steinmeier zum Bundeskanzler zu wählen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir mit Christoph Matschie in Thüringen und Heiko Maas im Saarland zwei weitere SPD-Ministerpräsidenten bekommen.



Abendblatt:

Für solche Ziele brauchen Sie die Linkspartei. Wird Rot-Rot zur Selbstverständlichkeit?

Heil:

Nein. Auf Bundesebene ist die Linkspartei nicht regierungsfähig, weder außen- noch wirtschafts- oder sozialpolitisch. In den Bundesländern muss man anhand der Frage, mit wem man verantwortlich regieren kann, entscheiden.



Abendblatt:

Im Saarland und in Thüringen hat die Linke gute Chancen, die SPD zu überholen. Was wäre unangenehmer: Regieren mit den Ministerpräsidenten Ramelow und Lafontaine oder wieder Opposition?

Heil:

Es wird keine Ministerpräsidenten von der Linkspartei geben.



Abendblatt:

Müntefering sagt, Opposition ist Mist.

Heil

Da hat er recht. Deswegen wollen wir die Nase vorn haben. Im Übrigen gibt es andere Koalitionsmöglichkeiten: in den Ländern und im Bund.



Abendblatt:

Die wären?

Heil:

Die größte Schnittmenge haben wir mit den Grünen. Ich sehe auch Berührungspunkte mit den Liberalen, etwa in der Innen- und Außenpolitik.



Abendblatt:

Sie sehen aber schon, dass Sie ein Glaubwürdigkeitsproblem haben im Umgang mit der Linkspartei.

Heil:

Das ist geklärt. In Hessen wurde die Glaubwürdigkeit beschädigt. Wenn man vor der Wahl etwas sagt, woran man sich nach der Wahl nicht hält, kostet das Unterstützung und Vertrauen. Daraus ist gelernt worden.



Abendblatt:

Seit der Hessen-Wahl ist die Große Koalition im Bundesrat ihre Mehrheit los. Die FDP regiert in Berlin quasi mit - und fordert Nachbesserungen beim Konjunkturpaket. Ist es klug, da einfach Nein zu sagen?

Heil:

Guido Westerwelle hat gesagt, dass die FDP das notwendige Konjunkturpaket im Bundesrat nicht blockieren wird. Im Übrigen: Schwarz-Gelb hat im Bundesrat keine Mehrheit. Und ich gehe davon aus, dass die Länder nach Länderinteressen entscheiden werden und nicht nach Parteifarben.



Abendblatt:

Aber die Liberalen haben Wünsche - etwa den Verzicht auf die Abwrackprämie und weitere Steuerentlastungen.

Heil:

An den wesentlichen Bestandteilen des Konjunkturpakets wird nicht mehr gerüttelt. Die Umweltprämie für Autos wird kommen. Sie ist für die Automobilindustrie, an der jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland hängt, unverzichtbar. Und Steuergeschenke an Reiche, wie sie der FDP vorschweben, sind mit uns nicht zu machen.



Abendblatt:

Wer entscheidet denn über Ihre Wahlkampfstrategie? Steinmeier, Müntefering oder doch Frau Nahles?

Heil:

Die Nummer eins ist der Kanzlerkandidat. Es gibt eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Parteivorsitzenden. Das ist das strategische Zentrum. Dazu kommen die Stellvertreter Peer Steinbrück und Andrea Nahles, der Generalsekretär und das Präsidium der SPD.



Abendblatt:

Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner schreibt: "SPD wählen heißt Beliebigkeit, schlimmer: völlige Ungewissheit wählen" ...

Heil:

Fehlendes Profil kann Herr Schöppner eher bei der Union feststellen. Da gibt es zwischen den Verstaatlichungsfantasien des Herrn Rüttgers und den wirtschaftsradikalen Vorstellungen, die Herr Merz bei vielen in der Union hinterlassen hat, sehr viel Unklarheit. Bei Frau Merkel ist es ja so: Jeder glaubt sie zu kennen, aber keiner weiß wirklich, wofür sie steht. Die SPD ist klar aufgestellt.



Abendblatt:

Dann verraten Sie uns doch, mit welchen Themen Sie in den Bundestagswahlkampf ziehen.

Heil:

Das große Thema wird sein, wie wir in diesem Land dauerhaft Beschäftigung und Wohlstand sichern und gerechte Teilhabe ermöglichen. Es wird im Wahlkampf darum gehen: Wer hat den besseren Gesellschaftsentwurf für dieses Land? Beim Konjunkturpaket II hat sich gezeigt, wer in der Lage ist, ein umfassendes Konzept vorzulegen, nämlich Frank-Walter Steinmeier und die SPD. Wir werden auch mit einem klaren Regierungsprogramm antreten. Frau Merkel steht für programmatischen Nebel. Sie ist nicht in der Lage, unserem Land die notwendige Orientierung für das kommende Jahrzehnt zu geben.



Abendblatt:

Hat der Wahlkampf schon begonnen?

Heil:

Nein. Die Menschen erwarten, dass wir gerade in diesen schwierigen Zeiten unserer Verantwortung in der Bundesregierung gerecht werden. Das tun wir. Bundestagswahlkampf ist im Sommer.



Abendblatt:

Was können Union und SPD - neben dem zweiten Konjunkturpaket - bis zur Bundestagswahl noch zustande bringen?

Heil:

Für die SPD geht es zentral darum, neue Spielregeln für die Finanzmärkte zu beschließen. Wir wollen grundlegende Konsequenzen aus der Finanzkrise ziehen. Von großer Bedeutung ist der Kampf gegen Steueroasen. Es ist sehr bedauerlich, dass die Union sich den Vorschlägen von Finanzminister Steinbrück zur Austrocknung von Steueroasen bisher verschließt. Ich fordere Frau Merkel und Herrn Seehofer auf, in dieser Frage mitzuziehen. Die SPD wird neue Regeln für die Finanzmärkte im März auf die Tagesordnung des Koalitionsausschusses setzen.