Der saarländische Ministerpräsident will eine Kampagne gegen die Linkspartei und erwartet für die CDU 40 Prozent plus x.

Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Herr Ministerpräsident, Sie fordern genauso wie Ihr bayerischer Amtskollege Horst Seehofer rasche Steuersenkungen zur Ankurbelung der Konjunktur. Hat die Kanzlerin, die dagegen ist, sich deshalb bei Ihnen schon beschwert?

Peter Müller:

Nein. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die SPD eine systematische Steuerreform noch in dieser Legislaturperiode ablehnt. Ich bedauere das, denn es wäre wichtig, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die einerseits die Binnenkonjunktur stärken und andererseits die Leistungsträger in unserem Land entlasten.



Abendblatt:

Liegt das am Nein der SPD oder an dem der Kanzlerin?

Müller:

Der Widerstand der Sozialdemokraten, auf den die Kanzlerin Rücksicht nehmen muss, ist der entscheidende. Wäre die SPD in der Steuersenkungsfrage einsichtiger, wären wir diesbezüglich viel weiter.



Abendblatt:

Seehofer und die CSU setzen die Kanzlerin seit Wochen massiv unter Druck. Bayern wird für das Konjunkturpaket II nur dann grünes Licht geben, wenn spürbare Abgabensenkungen beschlossen werden. Finden Sie diese Art von Erpressung angemessen?

Müller:

Ich halte Koppelungsgeschäfte hier nicht für zielführend. Ob das nächste Konjunkturpaket etwas taugt oder nicht, das entscheidet sich am Ende an zwei Fragen. Erstens: Sind die beschlossenen Maßnahmen nachhaltig? Zweitens: Sind sie finanzpolitisch verantwortbar? Wenn beides zutrifft, dann sollte jeder verantwortungsbewusste Politiker dem Paket zustimmen. Unabhängig davon, ob weitergehende Forderungen erfüllt wurden oder nicht. Deshalb wird zumindest an meiner Stimme ein sinnvolles Maßnahmenpaket zur Belebung der Konjunktur nicht scheitern.



Abendblatt:

Welche Maßnahmen sind denn sinnvoll?

Müller:

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, insbesondere das Baugewerbe zu beleben - denken Sie an energetische Gebäudesanierungen, den Straßen- und Wegebau, den Hochschulausbau und so weiter. Dabei sollte aber der Grundsatz gelten: Sanierung geht vor Neuerrichtung. Denn Arbeitsplätze lassen sich nur sichern, wenn ohne lange Planverfahren gleich losgelegt werden kann.



Abendblatt:

Wollen Sie der in Deutschland so wichtigen Automobilindustrie auch helfen?

Müller:

Da sind erst mal die Banken gefragt und nicht die Politik. Wir haben den Rettungsschirm für die Banken ja gerade geschaffen, damit diese ihrer Aufgabe, Geld für den Wirtschaftskreislauf - und somit auch die Autobauer und -zulieferer - zur Verfügung zu stellen, weiter gerecht werden können. Der Staat kann hier höchstens flankierend tätig werden, etwa durch Bürgschaftserklärungen.



Abendblatt:

Wie würden Sie vor der nahenden Jahrestagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth die aktuelle Stimmung in der Führung der Union insgesamt beschreiben?

Müller:

Wir haben alle den Ernst der Lage erkannt. Wir sind uns bewusst, dass wir die großen Herausforderungen im Wahljahr 2009 gemeinsam meistern müssen.



Abendblatt:

Tatsächlich stehen die Zeichen in der Union aber auf Trennung und Abgrenzung. In der CSU werden Stimmen lauter, die fordern, bei der Bundestagswahl mit einem eigenen Programm ins Rennen zu gehen. Kann das gut gehen?

Müller:

Wenn die CSU das gerne will, bitte. Ich hielte einen solchen Schritt für völlig undramatisch, das hat es auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Daran, dass wir in den Grundfragen nahezu zu 100 Prozent der gleichen Meinung sind, ändern auch zwei Wahlprogramme und Diskussionen über aktuelle tagespolitische Themen gar nichts.



Abendblatt:

Wie viel Übereinstimmung in Grundfragen sehen sie denn mit dem potenziellen Koalitionspartner FDP?

Müller:

Die Freien Demokraten haben leider immer noch nicht erkannt, dass der Markt sich nicht selbst überlassen werden darf. Während die FDP glaubt, der Markt schafft Gerechtigkeit, wissen wir: Der Markt braucht Ordnung - sonst gibt es keinen Wohlstand für alle, sondern nur für wenige.



Abendblatt:

Dürfen wir daraus schließen, dass Sie den Verzicht auf eine Koalitionsaussage zugunsten der FDP fordern?

Müller:

Die Union sollte durchaus einräumen, dass das Maß an inhaltlicher Übereinstimmung mit der FDP ausreichen kann, um ein gemeinsames Politikprojekt zu wagen. Aber ich glaube nicht, dass wir es nötig haben, als große Volkspartei, die ein Ergebnis von 40 plus x Prozent anstrebt, ein konkretes Koalitionsangebot zu machen.



Abendblatt:

Verdienen die Wähler keine Klarheit?

Müller:

Die Wählerinnen und Wähler haben in der Vergangenheit mit ihren Entscheidungen immer wieder dazu geführt, dass Koalitionsfragen nach einem Urnengang anders diskutiert wurden als vorher. Das notwendige Maß an Klarheit besteht bereits jetzt. Es reicht hin, wenn wir sagen: Wir streben ein bürgerliches Bündnis an.



Abendblatt:

Im kommenden Jahr stehen im Saarland auch Sie zur Wahl. Was unternehmen Sie, um die dort drohende rot-rote Koalition zu verhindern?

Müller:

Ich bin da sehr gelassen. Der Vorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, der einst saarländischer Ministerpräsident war, steht für den größten bildungspolitischen Kahlschlag in der Geschichte des Landes, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittliches Wachstum. Das alles haben wir geändert - und das wird von den Menschen auch honoriert. Ich begrüße es sogar sehr, dass Lafontaine hier als Spitzenkandidat antritt. Die Alternativen werden so besonders gut sichtbar. Lafontaines Politik orientiert sich ausschließlich am eigenen Ego. Auf ihn ist kein Verlass, und das ist im Land bekannt.



Abendblatt:

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Oskar Lafontaine beschreiben?

Müller:

Es ist seit vielen Jahren mit dem Begriff "Nicht-Verhältnis" abschließend beschrieben.



Abendblatt:

Am selben Sonntag wie im Saarland wählen auch Sachsen und Thüringen. Dort könnte es ebenfalls für Rot-Rot reichen.

Müller:

Beide Länder sind mit CDU-Regierungen gut gefahren und haben sich positiv entwickelt. Die Chancen, dass sich unsere Mehrheiten dort verteidigen lassen, sind groß.



Abendblatt:

Mindestens genauso groß sind allerdings die Gefahren, wenn man die Flexibilität der SPD in Machtfragen betrachtet. Was muss, was kann die Union dagegen unternehmen?

Müller:

Was wir brauchen, ist eine deutschlandweit abgestimmte, offensive Kampagne. Sie muss die zentralen Forderungen und Konzepte der Linkspartei, die jedem alles verspricht, Familienunternehmen enteignen will und Privateigentum infrage stellt, an den Pranger stellen. Wir dürfen es der Linken nicht durchgehen lassen, dass sie unsere gesellschaftliche Ordnung infrage stellt. Den Wählern muss klar gesagt werden: Diese Partei will den Sozialismus wieder beleben, obwohl er viele Staaten ruiniert hat.



Abendblatt:

Könnten dabei auch Schlagworte wie "Leitkultur" und Maßnahmen wie "Deutsch ins Grundgesetz" helfen?

Müller:

Die CDU sollte sich offensiv zu unserer Heimat und den Grundlagen unserer Verfassung bekennen und klarmachen, dass wir die Partei des aufgeklärten Patriotismus sind. Dazu gehört auch der von mir unterstützte Antrag beim CDU-Parteitag, die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen.


Multikulturelle Gesellschaften im Sinne des unverbundenen Nebeneinanders unterschiedlicher Gemeinschaften funktionieren nicht. Wir brauchen verbindende Elemente, einen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Sollte darüber im Wahlkampf debattiert werden, kann die Union sich dem gelassen stellen - das gilt sowohl für den Bund als auch für das Saarland, ändert aber nichts daran, dass wirtschaftspolitische Fragen im Mittelpunkt stehen werden.