Nach immer neuen Enthüllungen in der Datenschutz-Affäre bei der Deutschen Bahn muss der Konzernvorstand die Verantwortung für die Ermittlungen abgeben. Stattdessen untersuchen die früheren Bundesminister Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin die Vorgänge bei dem Unternehmen, wie Aufsichtsratschef Werner Müller mitteilte.

Frankfurt/Main. Mit dem Schritt soll das ramponierte Bahn-Image in der Öffentlichkeit und bei den eigenen Mitarbeitern repariert werden. Die externen Ermittlungen beschloss der Aufsichtsrat bei einer Sondersitzung in Frankfurt am Main. Neben Baum und Däubler-Gmelin wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragt. "Hierbei wird alles untersucht", sagte der Chef der Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner. Bereits bei der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung am 27. März gibt es demnach einen Zwischenstand. Müller erklärte nach der Sitzung: "Klarheit und Wahrheit in der Sache müssen erster Schritt zur umfassenden Aufklärung und nachhaltigen Aufarbeitung sein."

An dem Treffen nahm auch Konzernchef Hartmut Mehdorn teil, der wegen immer neuen Details massiv in der Kritik steht. Die Gewerkschaften wollen seinen Rücktritt, falls bei den Ermittlungen herauskommen sollte, dass der Manager von den umfangreichen Datenabgleichen wusste.

Compliance-Ausschuss gegründet Der Aufsichtsrat entschied zudem, einen sogenannten Compliance-Ausschuss zu gründen, der die Ermittlungen begleiten soll. Verantwortlich dafür sind Müller und Kirchner. Der Aufsichtsratschef erklärte, dass der beschädigte Ruf und das verloren gegangene Vertrauen der Bahn vor allem gegenüber der Belegschaft und den Kunden nachhaltig verbessert werden solle. Mehdorn sagte demnach die volle Unterstützung des gesamten Konzerns zur Aufklärung zu.

Nach Mitteilung der Gewerkschaften Transnet und GDBA wurden die Entscheidungen vom Bahnbesitzer, also dem Bund, mitgetragen. Besitzer und Gewerkschafter haben im Aufsichtsrat die selbe Stimmenzahl.

Neue Details kamen am Mittwoch nicht ins Licht, wie Kirchner und sein GDBA-Kollege Klaus-Dieter Hommel berichteten. Das müsse von den Ermittlern aufgeklärt werden. Die Arbeitnehmervertreter betonten, dass die neuen Untersuchungen unabhängig seien. "Wir lassen uns da auch von niemandem reinreden, weder von der Politik noch vom Bahnvorstand", betonte Kirchner.

gewusst, was in seinem Unternehmen vorgegangen sei. Bereits vor dem Treffen sagte er, die Politik schleiche sich aus der Verantwortung. Seit mehreren Jahren werde ein Datenschutzgesetz gefordert, das jetzt auf die nächste Legislaturperiode vertagt worden sei.

Tiefensee will Klarheit über Straftaten Unmittelbar vor der Sondersitzung forderte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee eine umfassende Aufklärung. Man müsse "Verantwortlichkeiten klären, gerade was mögliche Straftatbestände angeht", sagte der SPD-Politiker "Spiegel Online".

Zu möglichen Konsequenzen für Mehdorn sagte Tiefensee: "Wir müssen erst die Fakten auf dem Tisch haben, schnellstmöglich. Dann bewerten und entscheiden wir." Es habe vor Mehdorn Bahnchefs gegeben, und es werde nach ihm Bahnchefs geben. Auch der Aufsichtsrat behielt sich personelle Konsequenzen vor.

Laut einem Zwischenbericht wurden zwischen 1998 und 2006 fast alle Bahn-Mitarbeiter dreimal und rund 800 Spitzenmanager einschließlich naher Verwandter zweimal überprüft. Die Bahn hat die Vorfälle bereits untersucht, der Aufsichtsrat wollte aber eigene Ermittlungen.

Einer "Stern"-Umfrage zufolge nehmen die Bundesbürger Mehdorn die Überwachung seiner Mitarbeiter übel: 76 Prozent der Deutschen sprachen sich dafür aus, dass der Bahnchef zurücktreten soll. Nur 17 Prozent möchten ihn weiterhin als Vorstandsvorsitzenden des Staatskonzerns sehen.