Unternehmen schließt Strafrechts-Verstöße nicht mehr aus. Rückhalt für Hartmut Mehdorn im Aufsichtsrat bröckelt. Fast alle Mitarbeiter wurden mindestens zwei Mal überprüft. Bilder vom Bahnchef Mehdorn.

Berlin. Die Datenaffäre bei der Deutschen Bahn nimmt dramatische Ausmaße an. Gestern musste das Unternehmen zugeben, dass es zusätzliche Daten-Abgleiche gegeben hat. Insgesamt seien zwischen 1998 und 2006 fast alle Mitarbeiter dreimal und rund 800 Spitzenmanager zweimal überprüft worden, erklärte der Vorstand in einem Zwischenbericht, der dem Hamburger Abendblatt vorliegt.

Erstmals schloss die Bahnführung nicht mehr aus, dass in dem Unternehmen Verstöße gegen das Strafrecht begangen wurden und womöglich Akten, die die Datenabgleiche behandelten, vernichtet oder verändert wurden.

Damit wird die Luft für Bahn-Chef Hartmut Mehdorn immer dünner. In Berlin mehren sich die Zeichen, dass er bei der außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats am 18. Februar abberufen werden könnte. Denn die Mehrzahl der Regierungsvertreter in dem Gremium steht nicht mehr geschlossen hinter ihm.

Bereits gestern ist der Leiter der verantwortlichen Konzernrevision, Josef Bähr, auf eigenen Wunsch beurlaubt worden. Seine Abteilung hatte die Datenüberprüfungen veranlasst. Bähr sollte eigentlich heute vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags Auskunft über Details der Spitzelaktionen geben. Diesen Termin werde der Manager nicht wahrnehmen, sagte ein Bahnsprecher in Berlin.

Der 44-seitige Zwischenbericht der Bahn über die Spitzelaffäre wurde gestern Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), dem Bundestags-Verkehrsausschuss und dem Aufsichtsrat der Bahn zugeschickt. Tiefensee zeigte sich "mit dem Bericht von Hartmut Mehdorn nicht zufrieden. Er wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet."

So sehen das auch die Verkehrspolitiker im Bundestag. Christian Carstensen (SPD) sagte dem Hamburger Abendblatt: "Der Inhalt ist einfach erschreckend." Speziell die Andeutung, im Rahmen der Daten-Abgleiche sei womöglich gegen das Strafrecht verstoßen worden, verärgerte den FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich: "Dieses Eingeständnis widerspricht den bisherigen Behauptungen gegenüber Aufsichtsrat und Öffentlichkeit, solche Vorwürfe seien absurd und könnten ausgeschlossen werden."

Heute müssen Vertreter des Bahnvorstands dem Verkehrsausschuss Rede und Antwort stehen. Das Unternehmen schließt mittlerweile nicht mehr aus, dass externe Dienstleister "teilweise mit Kenntnis und Billigung von Mitarbeitern der DB AG" gegen Gesetze verstoßen haben.

In sieben Überwachungsprojekten seien neben dem Abgleich von Adress- und Kontodaten auch Informationen über Kraftfahrzeughalter, Immobilien und Verwandtschaftsverhältnisse beschafft worden. Diese Daten seien nicht ohne Weiteres öffentlich zugänglich, wird eingeräumt. In mindestens einem Fall seien zudem "Kontobewegungen" eines Mitarbeiters überprüft worden. Die Bahn hatte bislang nur vom Abgleich von Kontendaten, nicht aber von Bewegungen gesprochen.