Für Mäkeleien hatten Peter Struck und Günther Oettinger gestern kein Ohr. Bei den Beschlüssen zur Föderalismusreform handele es sich um eine...

Berlin. Für Mäkeleien hatten Peter Struck und Günther Oettinger gestern kein Ohr. Bei den Beschlüssen zur Föderalismusreform handele es sich um eine "Sternstunde des föderalen Bundesstaates", lobte der SPD-Fraktionschef. "Ein Durchbruch", sekundierte der baden-württembergische Ministerpräsident von der CDU. Der Kompromiss sieht vor, dass alle 16 Länder bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden vorweisen müssen. Die fünf armen Länder Saarland, Bremen, Berlin sowie Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt bekommen von 2011 bis 2019 rund 7,2 Milliarden Euro an Konsolidierungshilfe, aufgeteilt in neun Jahresraten zu 800 Millionen. Bezahlt wird das Ganze je zur Hälfte vom Bund und allen Ländern, die einen Teil der Umsatzsteuereinnahmen nicht ausgezahlt bekommen. Mehr Spielraum gibt es für den Bund, dem jährlich bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Neuverschuldung zugestanden werden, was rund neun Milliarden Euro entspricht. Die genauen Details für die Änderung des Paragrafen 109 im Grundgesetz sollen bis nächsten Donnerstag vereinbart werden.

Die Bundesländer, die Gelder aus dem Fonds nutzen, müssen sich wiederum verpflichten, mit einer bestimmten Geschwindigkeit ihr Haushaltsminus zu reduzieren. Tun sie das nicht, bekommen sie nichts mehr aus dem Gemeinschaftstopf. Ein "goldener Zügel im besten Sinne" sei das, so Oettinger. Um die nötige Mehrheit dafür zu bekommen, dass die stark verschuldeten Bundesländer finanzielle Hilfen erhalten, wurde der ursprüngliche Freiraum für die Länder gestrichen: Statt nach 2020 wenigstens 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Neuschulden aufnehmen zu dürfen, soll nun die Null-Schuldengrenze gelten. Sonst hätte etwa Bayern sich quergestellt. So jedoch lobte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), mit der Einigung könne "der Marsch in den Schuldenstaat" gestoppt werden.

Haushaltsexperten wie der Vorsitzende des zuständigen Bundestagsausschusses, Otto Fricke, sind trotzdem nicht zufrieden. Zwar seien die Beschlüsse ein Schritt in die richtige Richtung, sagte der FDP-Politiker dem Abendblatt. Doch habe die ganze Sache einen Haken, weil keine Sanktionen vereinbart seien: "Es hat immer schon Schuldengrenzen gegeben. Aber wenn es keine Folgen hat, wenn man sie verletzt, nützen sie nichts."

Zudem sollen auch künftig Schulden machbar sein, allerdings mit einer festen Tilgungsvereinbarung: Herrscht gerade Rezession oder eine außergewöhnliche Notlage, dürfen Kredite aufgenommen werden, die innerhalb eines Konjunkturzyklus abgezahlt werden müssen. Wann die Situation neue Schulden erlaubt, soll ein Stabilitätsrat aus den Finanzministern der Länder und des Bundes entscheiden. Das hält Fricke für unsinnig: "In dem Moment, wo ich der Politik überlasse, ob die Voraussetzungen für höhere Schulden vorliegen oder nicht, ist es dasselbe wie bei einem Fußballspieler, der selbst entscheiden soll, ob er eine Gelbe Karte kriegt oder nicht."

Im Norden freut sich Bremen über die Beschlüsse. Man sei dankbar, so Senatssprecher Hermann Kleen: "Für Bremen ist das Geld aus dem Fonds eine erhebliche Hilfe." Querstellen wollen sich Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Dort hofft man, in den Nachverhandlungen mehr Mittel aus dem Gemeinschaftstopf zu erlangen. 200 Millionen statt 80 Millionen Euro pro Jahr hätte der Kieler Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) gerne. Dem erteilte Peter Struck eine Abfuhr: "Kriegt er nicht. Er kriegt 80."