Es gibt neuen Streit um die geplante elektronische Gesundheitskarte. Die AOK Rheinland/Hamburg droht mit Boykott. Deren Chef Wilfried Jacobs fordert...

Berlin. Es gibt neuen Streit um die geplante elektronische Gesundheitskarte. Die AOK Rheinland/Hamburg droht mit Boykott. Deren Chef Wilfried Jacobs fordert als Voraussetzung für die Verteilung von Millionen Karten eine Klarstellung, dass die Ärzte auch tatsächlich am späteren Online-Betrieb teilnehmen. "Sonst kann man den Start nicht riskieren", urteilt er. Dabei sollen die rund 15 000 Arztpraxen des Rheinlands eigentlich bundesweiter Vorreiter sein.

Über 20 Millionen Euro hätten allein die Kassen der Region in das Projekt investiert, so Jacobs. Daher verlangt er Sicherheit. Die wollen die Ärzte nicht geben: "In einer hochsensiblen Situation die Ärzte zu solchen Maßnahmen wider Willen zu zwingen, ist ein hohes Risiko", warnt Franz-Joseph Bartmann, in der Bundesärztekammer für das Thema Telematik zuständig. "Wenn man das Projekt an die Wand fahren will, muss man genau das machen, was Herr Jacobs fordert." Wegen Honorareinbußen seien ohnehin viele Mediziner frustriert. Er fürchtet, dass Einzelne von der neuen Technik so genervt wären, dass sie ihre Zulassung abgeben würden.

"Die Online-Anbindung der Ärzte an die Telematik-Infrastruktur ist in der Startphase natürlich freiwillig", versichert die Chefin des Kassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer. Dann aber soll sie Pflicht werden. Doch angesichts von Schreckensmeldungen über Datenverluste und Ausspähungen in Firmen ist für viele Mediziner die zentrale Speicherung von Patientendaten ein Gräuel. Die stete Versicherung etwa von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), durch den doppelten Code von Patienten und Arzt sei Sicherheit garantiert, überzeugt sie nicht.

Dabei sind sich die meisten einig: Gerade bei der Therapie komplexer Krankheiten, an der viele beteiligt sind, sei die Gesundheitskarte richtig und wichtig. Denn so könnten unnötige Doppeluntersuchungen vermieden werden. Trotzdem steht wieder mal in den Sternen, ob der Zeitplan für das weltweit größte IT-Projekt eingehalten werden kann - oder ob es zu ähnlichen Verzögerungen kommt wie schon bei der Einführung der Lkw-Maut oder dem digitalen Polizeifunk. Ursprünglich hatte die Neuerung vor drei Jahren etabliert werden sollen. Doch immer wieder sorgten Probleme bei Testläufen, etwa mit den PIN-Nummern oder den Lesegeräten, für Schlagzeilen.

Der Sprecher der Gesundheitsministerin, Klaus Vater, gibt sich dennoch optimistisch: "Es kommt gut voran." 62 000 Karten seien schon ausgegeben. Ulla Schmidt hatte im Gespräch mit dem Abendblatt bereits betont, dass die wenigsten technischen Neuerungen auf Anhieb einwandfrei funktionierten: "Haben Sie mal ein neues iPhone ausprobiert? Wie lange Sie das updaten müssen, bevor Sie ordentlich telefonieren können? Das ist der Grund, warum wir die zehn Testregionen haben und das Schritt für Schritt einführen." Region für Region soll nun folgen, bis Ende des Jahres alle Krankenversicherten mit der Karte ausgestattet seien. Geplant ist, dass diese ab 2010 als Schlüssel für das Verschicken von Versichertendaten übers Netz genutzt werden.