DIHK-Präsident Driftmann über seine Erwartungen an den Umweltminister, die Folgen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und das griechische Drama.

Berlin. Der Elmshorner Unternehmer Hans Heinrich Driftmann ist als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Norddeutschlands wichtigster Wirtschaftsführer. Der Chef des Haferflockenherstellers Kölln ist ein politischer Kopf, ausgestattet mit einem CDU-Parteibuch, aber frei genug, um auch immer wieder gegen die Parteilinie zu schießen.

Hamburger Abendblatt: Herr Driftmann, Sie sind seit Jahrzehnten CDU-Mitglied. Nun hat Ihre Partei in Nordrhein-Westfalen eine schallende Ohrfeige von den Wählern erhalten. Wofür eigentlich?

Driftmann: Es ist schwierig, eine Politik zu verkaufen, die den Menschen offen sagt, so komfortabel wie bisher kann es nicht weitergehen. Entscheidend war aber bei dieser Wahl, dass die rot-grüne Landesregierung überzeugen konnte. Das war ein persönlicher Erfolg von Hannelore Kraft. Dem Vertrau-ensvorschuss muss sie jetzt gerecht werden.

Was hat Hannelore Kraft besser gemacht als CDU-Kandidat Norbert Röttgen?

Driftmann: Frau Kraft kann Menschen das Gefühl geben, an ihrer Seite zu stehen. Sie beherrscht die Sympathiewerbung. Und sie hat ihre Verwurzelung in der Region auf beispielhafte Weise zum Tragen gebracht.

Kraft hat im Wahlkampf auf Politik zum Wohlfühlen gesetzt. Ein Erfolgsrezept?

Driftmann: Taktisch war es richtig, aber mittelfristig wird das allein nicht tragen. Bis 2020 muss auch Nordrhein-Westfalen die Neuverschuldung aufnull abbauen. Das ist eine Menge Holz. Die Konsolidierung wird eine schwere Aufgabe für Frau Kraft, der sie gerecht werden muss. Jetzt steht Frau Kraft vor den Herausforderungen der aktuellen Politik.

Röttgen hat den Landesvorsitz niedergelegt. Reicht das als Konsequenz aus?

Driftmann: Seine Aufgaben als Bundesumweltminister haben mit dem Wahlausgang nichts zu tun. Für uns als organisierte Wirtschaft ist seine Arbeit als Minister relevant. Bei der Energiewende gibt es sehr viel zu tun. Hier kann sich Herr Röttgen uneingeschränkt mit großem Nachdruck engagieren. Wirstehen bei der Energiewende erst am Anfang.

Sind Sie mit seiner Arbeit an der Energiewende bisher zufrieden?

Driftmann: Bisher ist die Bilanz wenig glorreich. Herr Röttgen wird jetzt seinen ganzen Sachverstand einbringen müssen. Wir sehen bei der Energiewende noch erheblichen Optimierungsbedarf. Das habe ich auch der Bundeskanzlerin deutlich gemacht.

Der zweite Hauptverantwortliche für die Energiewende ist Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Überzeugt er Sie?

Driftmann: Es wird über Herrn Rösler im Moment sehr viel geredet und er wird häufig kritisiert. Er wird eher unterschätzt. Er ist an der Sache orientiert und jemand, der über Managementfähigkeiten verfügt.

Als FDP-Retter gelten allerdings Wolfgang Kubicki und Christian Lindner.

Driftmann: Man muss die Arbeit der beiden honorieren. Aber die Koordinierungsarbeit im Bund hat Herr Rösler im Wesentlichen geleistet. Ich habe an ihm wenig auszusetzen.

Welche Partei ist eigentlich die Partei der Industrie und des Handels?

Driftmann: Die gibt es nicht. In den meisten Parteien gibt es Flügel, die sich mit Sachverstand der Wirtschaftspolitik widmen. Ohne Zweifel steht die FDP in ihren Positionen der Wirtschaft näher als andere. Aber auch Teile der Union, der SPD und der Grünen sind gute Ansprechpartner für die Wirtschaft.

An wen denken Sie da bei der SPD? An Herrn Steinbrück vielleicht?

Driftmann: Peer Steinbrück und ich verstehen uns nach vielen Jahren der Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein nach wie vor sehr gut.

Sollte er Kanzlerkandidat werden?

Driftmann: Ich werde da auf keinen Fall einen Ratschlag geben. Das ist Sache der SPD.

Herr Driftmann, wie sehr hängen Sie noch an Griechenland als Mitglied der Euro-Zone?

Driftmann: Momentan befindet sich Griechenlands Zukunft in den Händen von kleinen, meist sehr radikalen Parteien. Das macht die Lage noch schwieriger. Fakt ist: Griechenland gehört zu Europa. Ein Ausscheiden aus dem Euro-Raum hätte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Konsequenzen. Griechenland aus dem Euro-Raum hinauszusteuern und zugleich als Kernbestandteil eines vereinten Europas zu behalten funktioniert nicht.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat keine Angst mehr vor einem Austritt Griechenlands aus dem Euro.

Driftmann: Wolfgang Schäuble will den Griechen signalisieren, dass keine Katastrophe ausbricht, wenn man sich trennen muss. Ich weiß aber, dass Herr Schäuble solch eine Lösung nicht anstrebt. Wir brauchen nach wie vor eine Lösung, die es den Griechen ermöglicht, in Europa zu bleiben.

Wie muss es in dem Land jetzt weitergehen?

Driftmann: Was wir den Griechen abverlangen, ist schon eine Tortur. Wir müssen damit rechnen, dass wir beim Konsolidierungsprozess Rückschläge erleben werden. Zur Not wäre danneine begrenzte Erweiterung der Fristen vorstellbar. Aber an den Verträgen sollten wir nicht mehr rütteln. Pacta sunt servanda.

Die Bundeskanzlerin trifft heute den neuen französischen Präsidenten François Hollande. Muss Merkel dem Sozialisten das Sparen beibringen?

Driftmann: Frau Merkel ist keine Oberlehrerin, die jemandem das Sparen beibringt. Aber sie wird ihre Positiongut begründen. Merkel wird HerrnHollande klarmachen, dass Wachstum nicht ohne Reformen funktionieren kann. Er wird das verstehen. Ich habe den Eindruck, dass Herr Hollande langsam in der Realität ankommt. Natürlich sind Mehrheiten in der Politik entscheidend. Aber politische Mehrheiten können ökonomische Gesetze nichtaußer Kraft setzen. Das weiß auch Herr Hollande.