Innenminister Friedrich sieht Bedrohungslage unverändert hoch

Berlin. Nach Einschätzung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geht vom Terrornetzwerk al-Qaida auch nach der Tötung von Osama Bin Laden weiterhin eine Bedrohung aus. Es sei verfrüht zu glauben, "dass der Terrorismus damit beendet ist", sagte Friedrich gestern. Es bestehe zwar die Hoffnung, dass das Terrornetzwerk nach dem Tod seiner Identifikationsfigur mittel- und langfristig geschwächt werde, die Gefährdungslage in Deutschland und Europa sei aber unverändert hoch. "Freiheit setzt voraus, dass man auch wachsam ist", sagte Friedrich.

Er betonte, dass es keine Hinweise auf "eine erhöhte Gefährdung" amerikanischer Einrichtungen in Deutschland gebe. Andernfalls würden die Sicherheitsmaßnahmen selbstverständlich erhöht. Es gebe zudem derzeit keinen Anlass, die Sicherheitsbestimmungen an deutschen Flughäfen zu verschärfen. Ob dies notwendig werden könnte, werde derzeit untersucht.

Der Innenminister wies zudem die Darstellung zurück, dass es innerhalb der Koalition Streit über die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze gebe. Er versicherte, dass er keine Verschärfung und auch keine pauschale Verlängerung der Regelungen anstrebe. Die bestehenden Gesetze sollten daraufhin überprüft werden, was sie gebracht hätten, wie oft sie angewendet worden seien, ob sie weiterhin gebraucht würden und ob zudem weitere Maßnahmen nötig seien, um den Grundrechtsschutz zu verbessern.

Auch der deutsche Terrorexperte Berndt Georg Thamm sieht keinen Grund für eine Entwarnung. "Al-Qaida ist durch den Tod Osama Bin Ladens in keinster Weise geschwächt, an der Gesamtbedrohung durch das Terrornetzwerk hat sich überhaupt nichts verändert", sagte Thamm dem Hamburger Abendblatt.

Al-Qaida sei heute nicht mehr militärisch strukturiert. "Das bedeutet, dass sie durch den Tod eines Führungsmitglieds heute nicht mehr plötzlich steuerlos werden würde. Statt einer einzigen Organisation haben sich viele lokale Netzwerke gebildet, die sich zwar am Gedankengut von al-Qaida orientieren, aber völlig selbstständig operieren." Inzwischen sei die Saat Bin Ladens aufgegangen, die Idee von al-Qaida habe sich verselbstständigt. "Es ist eine neue Generation von Terroristen herangewachsen, die noch innovativer, gewaltbereiter und gefährlicher sind und unabhängig von der Gründergeneration agieren", betonte Thamm. Der Anschlag in Marrakesch oder auch die Festnahmen jetzt in Nordrhein-Westfalen seien Anzeichen dafür, dass die Bedrohung durch den Terror weitergehe. "Europa und Deutschland bleiben ein Attentatsziel", sagte Thamm.