132 Zimmer, Kino, Bowlingbahn und Bunker. Der Sandstein unter weißer Farbe stammt aus Niedersachsen. Kennedy und Clinton brachten den Amtssitz nicht nur als Politiker ins Gerede, und der Geist von Abraham Lincoln hielt sich dort so lange, dass noch Reagans Hund ihn anbellte.

"Eines Abends saß ich in meinem Arbeitszimmer im Weißen Haus", erzählte Eleanor Roosevelt, Amerikas First Lady zwischen 1933 und 1945, "als das Dienstmädchen schreckensbleich hereinplatzte. 'Er sitzt in seinem Zimmer auf dem Bett und zieht sich die Schuhe aus', stammelte sie. Ich fragte sie: ,Wer denn?' Und sie sagte: 'Na, Mr. Lincoln!'" Nun war Abraham Lincoln damals schon 75 Jahre tot.

Verständlich wäre es schon, wenn der Geist des großen US-Präsidenten sich beharrlich weigern würde, sein früheres Heim zu verlassen. Denn eine exklusivere Adresse als "1600 Pennsylvania Avenue, Washington D.C." gibt es auf der ganzen Welt nicht. Den Geist von Lincoln sollen schon viele, darunter die niederländische Königin Wilhelmina und Ronald Reagans Tochter Maureen, gesehen haben. Reagans Hund weigerte sich, den Raum zu betreten und kläffte das leere Zimmer von der Tür her an.

Das Weiße Haus ist Amtssitz und offizielle Residenz des amerikanischen Präsidenten. George Washington, der erste Präsident und Namensgeber der Hauptstadt, bestimmte die Lage, der Grundstein wurde am 13.Oktober 1792 gelegt. Doch erst der zweite Präsident, John Adams, zog 1800 dort ein, und nach ihm dann jeder weitere US-Präsident. 1814 von den Briten niedergebrannt, wurde es im klassizistischen Stil wieder aufgebaut und weiß gestrichen. Das veranlasste Theodore Roosevelt 1902, den volkstümlichen Namen zum offiziellen zu erheben: Weißes Haus. Der neue Name der Säulenvilla wurde zum Synonym für das präsidiale Machtzentrum der USA. Die weiße Farbe bedeckt übrigens Sandstein aus Obernkirchen in Niedersachsen.

Die weltweit bekannte Frontansicht zeigt nur einen Teil des ausgedehnten Gebäudes, an das um das Jahr 1900 ein Ost- und ein Westflügel angefügt wurden. Unter dem Ostflügel befindet sich ein Luftschutzkeller, der gleichzeitig als Einsatzzentrum für nationale Notfälle genutzt werden kann. Angeblich wird das Weiße Haus, das sechs Stockwerke und zwei Kellergeschosse aufweist, durch Luftabwehrraketen geschützt. Das legendäre Arbeitszimmer des Präsidenten, das Oval Office - seit Bill Clintons einschlägigen Freuden mit der Praktikantin Monica Lewinsky auch als "Oral Office" bekannt - ließ Präsident William Howard Taft 1909 einbauen. Und eine riesige Badewanne auch, nachdem der 150-Kilo-Koloss in der normalen Wanne stecken geblieben und nur mit erheblicher Hilfe wieder freigekommen war. Im Oval Office steht der "Resolute Desk", ein Tisch aus dem Holz des britischen Polarforschungsschiffes "HMS Resolute" - ein Geschenk der britischen Königin Victoria.

Wie viele Abstellkammern es gibt, ist unsicher; die neben dem Oval Office jedoch brachte es zu einigem Ruhm. Erst soll sich hier Präsident Warren G. Harding (1865-1923) auf das zutraulichste seiner jungen Geliebten Nan Britton genähert haben, ein halbes Jahrhundert später soll John F. Kennedy am selben Ort dasselbe getan und seiner Gespielin dabei die Geschichte von Hardings Eskapaden ins errötende Ohr geflüstert haben. Überhaupt JFK: Eine seiner Favoritinnen im Weißen Haus soll später ausgeplaudert haben, der sinnenfrohe Präsident habe nach ausgiebigem Genuss von Marihuana und fleischlichen Wonnen wohlig gestöhnt, er sei jetzt sogar viel zu fertig, um noch den Atomknopf drücken zu können.

Im "West Wing" - Westflügel - des Gebäudes liegen außer dem Oval Office noch der Cabinet Room, in dem der US-Präsident sein Kabinett, den Nationalen Sicherheitsrat oder andere Gremien zu Beratungen empfangen kann. Hier erklärte George W. Bush am 12. September 2001, dass "Freiheit und Demokratie angegriffen" worden seien.

Im großen "East Room" lagen die ermordeten Präsidenten Lincoln und Kennedy aufgebahrt.

In den Salons - wie dem blauen, dem grünen, dem roten, dem Ost- und dem China(Porzellan)-Salon - kann der Präsident Staatsgäste bewirten oder zum intimeren Dinner bitten. Seit 1918 nur auf Porzellan der amerikanischen Edelmarke Lenox.

In einem dieser Salons saß einmal Präsident Calvin Coolidge (1872-1933) mit einem ausländischen Staatsgast zusammen. Dieser war aufgeregt und äußerst bemüht, keinen Fauxpas zu begehen. Als er sah, dass Coolidge eine kleine Menge Milch abmaß und in eine Untertasse goss, vermutete er eine amerikanische Tradition dahinter und machte es ihm nach. Und saß konsterniert mit der vollen Untertasse in der Hand da, als Coolidge die seine für die Katze auf den Fußboden stellte.

Weil bei derartigen Bewirtungen ständig die Streichholzschachteln mit dem Präsidentenwappen geklaut wurden, ließ Präsident Franklin Delano Roosevelt (1882-1945), Eleanors Mann, die Worte aufdrucken: Gestohlen aus dem Weißen Haus.