Mehr Frieden, mehr Handel, mehr Klimaschutz: Was Europa, Russland oder der Nahe Osten vom künftigen Präsidenten der USA erwarten.

Hamburg. War Dixville Notch ein Trendsetter? In dem kleinen Dorf im Bundesstaat New Hampshire, das traditionell schon um Mitternacht als erster Ort in den USA wählt, brach Barack Obama gestern nach 40 Jahren die Vorherrschaft der Republikaner: Für ihn stimmten 15 Wähler, nur sechs für seinen republikanischen Konkurrenten John McCain. Auch in der Nachbargemeinde Hart's Location lag der Demokrat vorn.

Obama selbst gab in einem Wahllokal in Chicago/Illinois seine Stimme ab, wo er in Begleitung seiner Frau Michelle und seiner beiden kleinen Töchter erschien. John McCain wählte später gemeinsam mit seiner Frau Cindy in Phoenix (Arizona).

Schon kurz nach Öffnung der Wahllokale in den Ostküsten-Staaten um 6 Uhr Ortszeit (12 Uhr MEZ) bildeten sich vielerorts lange Warteschlangen. Und weltweit wird mitgefiebert. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rief gestern in Brüssel auf die Frage, wen er am liebsten im Weißen Haus sähe: "Obama!" Ebenso sein niederländischer Kollege Wouter Bos.

In Deutschland und Frankreich herrschte Obama-Begeisterung: Die Mehrheit in beiden Ländern setzt auf einen Wahlsieg der Demokraten. Dabei entscheide die Wahl aus Sicht der meisten Deutschen und Europäer vor allem darüber, wer als Nächstes die Welt führt, sagte Alexander Rahr, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Dass vorgestern noch 88 deutsche Top-Manager auf Obama setzten, hat die Hoffnungen noch geschürt.

Die Erwartungen an den neuen US-Präsidenten sind aber weltweit sehr vielschichtig. Die EU stellt sich darauf ein, dass beide Kandidaten im Fall eines Sieges ein verstärktes Engagement in Afghanistan von den Europäern fordern werden. Viele sind besorgt, dass die USA bei einem Sieg McCains den Iran angreifen könnten, und würden einen US-Abzug aus dem Irak begrüßen, den Obama vorantreiben will. Beim Klimaschutz sieht die EU erstmals echte Chancen für ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll - jetzt mit den USA. Gute Chancen bestehen auch beim globalen Handel mit CO2-Zertifikaten nach EU-Vorbild., beide Kandidaten wollen Amerikas CO2-Ausstoß senken.

Wie in Europa drückten auch die Menschen in vielen islamischen Ländern Barack Obama die Daumen. "Die acht Jahre Bush waren eine Katastrophe, und McCain klingt für viele hier nach einer Fortsetzung", sagte die Kairoer Politologin Manar al-Shorbagi im Sender al-Dschasira. Sie würde Obama wählen, ihn allerdings "mit einem wachsamen Auge begleiten". Nach Umfragen glauben aber nur 18 Prozent der Befragten in der arabischen Öffentlichkeit, dass Obama in der Region wirklich Frieden schaffen könnte.

Russland erhofft sich künftig mehr Verständnis für seine Sicherheitsinteressen - nur wird auch der neue US-Präsident am Raketenschirm in Polen und Tschechien und an einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens festhalten. In China ist Obama deutlich populärer als McCain. Allerdings müsste sich Peking darauf einstellen, dass Obama als Präsident Chinas Währungsmanipulationen bekämpfen und Handelsvereinbarungen, etwa zum Schutz geistigen Eigentums, rigoros durchsetzen würde.

In Israel findet John McCain viel Unterstützung. Offiziell hält sich die Führung in Tel Aviv neutral, aber privat äußern sich Politiker besorgt, ob Obama dem Iran hart genug entgegentreten würde.

In Pakistan ist das Ansehen der USA auf einen absoluten Tiefpunkt gesunken, vor allem nach den jüngsten US-Raketenangriffen auf pakistanisches Territorium. Die Regierung in Islamabad muss sich warm anziehen: Obama hat angekündigt, im Fall seiner Wahl al-Qaida in Westpakistan anzugreifen und die Militärhilfe für Pakistan an schärfere Bedingungen zu knüpfen. Indien erhofft sich gerade von Obama mehr Sicherheit gegenüber Pakistan und ein Ende der neokonservativen US-Wirtschaftspolitik. Obama sei "vorteilhafter", schreibt die "Times of India".

In Kanada sähen einer jüngsten Gallup-Umfrage zufolge klare 67 Prozent lieber Obama als Präsidenten. Dass er mit Kanada und Mexiko neu über das gemeinsame Freihandelsabkommen Nafta verhandeln will, um bessere Arbeits- und Sozialstandards vor allem für US-Arbeitnehmer zu erreichen, schreckt die Kanadier nicht - 61 Prozent der Befragten würden Verhandlungen zustimmen. In Mexiko sind erstaunliche 64 Prozent völlig unentschieden beim US-Wahlkampf. Sie hoffen vor allem auf eins: bessere Einwanderungsmöglichkeiten für Mexikaner.