Ein bezeichnender Wahlkampfscherz lautete, Barack Obama habe von einer Wahrsagerin eine gute und eine schlechte Voraussage erhalten. Die gute: “Sie...

Ein bezeichnender Wahlkampfscherz lautete, Barack Obama habe von einer Wahrsagerin eine gute und eine schlechte Voraussage erhalten. Die gute: "Sie werden gegen John McCain gewinnen." Und die schlechte? "Sie werden Präsident der Vereinigten Staaten." Amerika, die Hypermacht, ist derzeit ein Land im Niedergang - relativ und absolut. Letzteres wird deutlich, wenn man die an vielen Stellen marode Infrastruktur betrachtet, die Staatsverschuldung, das Gesundheitssystem. Ersteres wird klar angesichts des meteorhaften Aufstiegs von China und Indien. Zwei verlustreiche Kriege, ein nach Atomwaffen greifender Iran, das Gespenst des militanten Islamismus, ein implodiertes Bankensystem samt Wirtschaftskrise - dagegen nehmen sich die Aufgaben, die Herkules einst zu bewältigen hatte, wie Aufwärmübungen aus.

Als "schwarzer Kennedy" firmiert Obama bei seinen Anhängern - ein Hinweis auf Charisma und sozialpolitisches Engagement. Doch die Probleme unserer Zeit stellen sich weitaus komplexer dar als in der säuberlich geteilten Welt des JFK. Die fast messianische Verehrung, die Obama derzeit noch genießt, könnte rasch schal werden, sollte er den hohen Erwartungen nicht entsprechen.

Doch wie weiland Ronald Reagan die von Vietnam und Watergate niedergedrückte Nation seelisch aufrichtete, so könnte auch Obama seinem Land zunächst einmal den ursprünglichen amerikanischen Geist wieder einhauchen. Ein Geist der Freiheit, des Miteinanders und des Wagemutes - frei von der Intoleranz, der Arroganz und der Militanz der Bush-Ära, die sich wie erstickender Mehltau über die USA gelegt hatten.

Die erste Wahl eines liberalen Schwarzen zum Präsidenten zeigt, dass Amerikas Selbstheilungskräfte gewaltig sind. Und dass der Niedergang nicht sein Schicksal bleiben muss.