Kein Haudegen der Bürgerrechtsbewegung. Kein Cowboy-Typ, kein politischer Übervater: Das alles macht Obama in den Augen der Welt zu einem Hoffnungsträger neuen Typs.

Ihre Tante, schreibt die schwarze Drehbuchautorin Candace Allen, sei 83 und begeistert von Obama, aber sie wolle nicht, dass er kandidiert. "Sie glaubt fest daran, jeder schwarze Mann mit echten Chancen auf das Oval Office werde vorher von irgendeinem rassenwütigen Irren erschossen. Aber ich habe das Gefühl, dass sich Dinge geändert haben. Wir Amerikaner sind von der Regierung so lange belogen und bestohlen worden, wir haben in der Welt so viel Respekt verloren - da sind viele nicht mehr so schießwütig. Meine Tante antwortet: Es braucht nur einen."

Zum Leidwesen seiner Sicherheitsberater hat es Barack Obama im Wahlkampf drauf ankommen lassen. Er trat auch dann in überfüllten Hallen auf, wenn Tausende ohne Sicherheits-Check hineingekommen waren. Schüttelte Hände, schaukelte Babys, nahm Fremde in den Arm. Bis jetzt hat er es überlebt. Aber so wie Candace Allens Tante denken viele. Amerika schleppt eine lange Geschichte zerplatzter Träume und betrauerter Hoffnungsträger mit sich. Erlöserfiguren leben gefährlich.

"Erlöser", "Messias", "Hoffnung": Diese Begriffe kleben an Barack Obama schon seit Beginn des Vorwahlkampfs. Er bringt alles mit, was ein moderner Erlöser braucht: die Vision von einer besseren sozialen Zukunft; eine ungewöhnliche Biografie - den Aufstieg aus einer einfachen, dazu noch gemischten Familie über eine kleine islamische Schule in Indonesien über die Straßen von Chikago nach Washington; Integration statt Aggressivität. Und das Wissen, dass Status, Geld, Einfluss und Glück äußerst ungerecht verteilt sind. Für gläubige Afroamerikaner sind das fast schon biblische Vorzeichen.

Aber auch in anderen Teilen der Welt hat Obama sehr schnell eine Erlöserrolle eingenommen. "Die arabische Mittelschicht erkennt in Obama die Art von Hoffnung wieder, die vor vier Jahrzehnten mit dem amerikanischen Traum verbunden wurde", schreibt der saudi-arabische Kolumnist Adel Al-Toreifi. Gerade die Deutschen mit ihrer "komplizierten Geschichte von altbundesdeutscher Amerika-Dankbarkeit und neuem Bush-Hass" warteten auf den nächsten US-Präsidenten "wie auf einen Erlöser aus nationaler Seelenqual", schrieb Jan Ross in der "Zeit". Der US-Präsident ist seit Roosevelts Ära immer auch ein Welt-Präsident. Acht Bush-Jahre lang war diese führende und orientierende Leitrolle vakant.

Für die globale Rolle scheint Obamas globale Biografie wie geschaffen. Er selbst hat in seinem Buch "Dreams From My Father" einen liebevollen, teilweise auch kritischen Blick auf seine Familiengeschichte geworfen. Seinen kenianischen Vater, der zum Studieren nach Hawaii kam und dort ein schüchternes weißes Mädchen lieben lernte, hat er nicht gekannt. 1960, als seine Eltern heirateten, war Rassenmischung in den meisten US-Bundesstaaten noch ein Straftatbestand. Während seiner harmonischen Kindheit bei den Großeltern in Honolulu erlebten andere US-Bundesstaaten die schwersten Rassenunruhen. Dann nahm sein Stiefvater die Familie mit nach Indonesien - und Barack war in der Schule ein Außenseiter.

Diese Erfahrungen bewahrten ihn vor manchen politischen Klischees. Er versucht nicht eine politische "Vaterfigur" für Amerika zu sein - dafür ist er zu jung. Erlöserfiguren sind eher Brüder. Aber ein Black Brother ist er auch nicht - als Kind war er zu fern von dem traumatisierenden Rassenkonflikt nach der Ermordung Martin Luther Kings. Erst nach den Hasspredigten seines früheren Pastors Jeremiah Wright sprach er im März in Philadelphia vom "langen Marsch in ein gerechteres Amerika", vom "schwarzen Zorn und weiße Ressentiments". Und machte klar: Mit ihm soll ein neues Denken beginnen - nicht über das Trennende, sondern das Gemeinsame.

Obama bedient die Welt nicht mit der plakativen Cowboypose (Stiefel, Bierflasche, Grill, Gewehr) wie viele seiner Vorgänger. "George W. Bush ist überhaupt kein Cowboy, er ist einfach ein verwöhnter Junge", regte sich der Pferdeflüsterer Monty Roberts 2003 auf: Bush sei unfähig, eine nervöse Welt so einfühlsam und klug zu führen, wie man ein nervöses Pferd führen muss. Obama zeigte sich lieber in Badehose am Strand von Hawaii: kein Möchtegern-Cowboy, kein Partysteher, sondern eher ein ganz normaler Strandläufer.

Wie wird Obama führen? Der Welt-Erlöser wird kämpfen lernen müssen. Zunächst steht er vor einem Scherbenhaufen. Er erbt zwei Kriege, ein Milliardenprogramm zur Rettung der Wirtschaft, ein astronomisches Haushaltsdefizit. Er will nur die Reichsten stärker besteuern, für alle Amerikaner die Krankenversicherung einführen, den Irak verlassen, den Iran befrieden und al-Qaida vernichten.

Ist er zu weich für globale Verantwortung, wie seine Gegner immer wieder behaupteten? Das Strandfoto signalisiert: Der nachgiebige Papa zweier Töchter und Vorläufer einer all-amerikanischen neuen Bürgerbewegung ist athletisch und energiegeladen. Er kann stolpern. Aber würde wieder aufstehen.