Demonstranten drangen auf US-Botschaftsgelände in Sanaa vor. Sie skandierten “Tod für Amerika“, holten die US-Flagge ein und zündeten sie an.

Berlin/Sanaa/Washington/Tripolis. Antiamerikanische Demonstrationen und Proteste wegen eines islamfeindlichen Schmähvideos haben auch am zweiten Tag nach der Erstürmung des US-Konsulats in Libyen nicht nachgelassen. Am Donnerstag stürmten Hunderte Demonstranten das Gelände der US-Botschaft im Jemen. Sie skandierten "Tod für Amerika“, holten die US-Flagge ein und zündeten sie an. Nach Angaben eines US-Botschaftssprechers wurde bei dem Angriff niemand verletzt. Anlass war offenbar wie bei Angriffen auf US-Vertretungen in Libyen und Ägypten der islamkritische Amateurfilm eines in Amerika lebenden Regisseurs. Der jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi entschuldigte sich umgehend für den Angriff auf die US-Botschaft in Sanaa. Er sprach von "Krawallmachern“, die die engen Beziehungen zwischen dem Jemen und den USA beschädigten wollten, und kündigte an, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Allerdings verdichteten sich die Hinweise, dass der Angriff in Libyen eine geplante Aktion schwer bewaffnete Militanter war, die die Proteste gegen einen von Muslimen als Blasphemie empfundenen Film ausnutzten. Der stellvertretende Innenminister in Ostlibyen, Wanis el Scharef, sagte am Donnerstag, es habe sich um eine Aktion mit zwei zeitlich abgestimmten Angriffen gehandelt. Neben dem Konsulat wurde eine vermeintlich geheim gehaltene Sicherheitsunterkunft angegriffen, in die sich das Personal bei einem Übergriffen zurückziehen sollte.

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Verletzte werden in Deutschland behandelt

Drei bei dem Angriff auf das US-Konsulat in der Nacht zum Mittwoch in Bengasi verwundete US-Diplomaten werden derweil in einem amerikanischen Militärkrankenhaus in Deutschland behandelt. Auch 33 bei den Ausschreitungen unverletzt gebliebene Konsulatsmitarbeiter seien von Libyen nach Landstuhl ausgeflogen worden, teile das US-Außenministerium am Donnerstag mit.

Die Konsulatsmitarbeiter seien am Mittwochnachmittag in derselben Maschine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein eingetroffen, in der auch die Särge mit den vier bei dem Angriff getöteten US-Diplomaten waren, darunter auch der des Botschafters der USA in Libyen, Chris Stevens.

Deutschland entsendet zusätzliches Sicherheitspersonal

Nach den Angriffen im Nahen Osten wurden auch die Sicherheitsvorkehrungen für einige deutsche Botschaften in islamisch geprägten Ländern verstärkt. Das kündigte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag in Berlin an. An die Auslandsvertretungen sollten zusätzliche Sicherheitsbeamte entsandt werden.

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Westerwelle rief die Regierungen in islamischen Ländern auf, die Sicherheit der Botschaften zu gewährleisten. Er habe zwar Verständnis für die Empörung vieler Muslime über einen islamkritischen Amateurfilm im Internet. "Aber: Diese Empörung kann keine Rechtfertigung für Gewalt sein“, sagte der Außenminister.

Proteste im Iran und Drohungen im Irak

Vor der Schweizer Botschaft im Iran demonstrierten am Donnerstag rund 500 Menschen gegen den als blasphemisch empfundenen Film. Die Schweizer Diplomaten vertreten in Teheran auch die Interessen der USA. Gegen Mittag seien die Demonstranten wieder abgezogen, teilte das Schweizer Außenministerium mit. Mehr als 200 Polizisten hätten die Demonstranten vom Botschaftsgelände ferngehalten. An der Schweizer Botschaft sei kein Schaden entstanden.

Im Irak drohte eine militante schiitische Gruppen am Donnerstag ebenfalls mit Angriffen auf US-Ziele. Der Führer der vom Iran unterstützten Miliz Asaib Ahl al Hak, Kais al Chasali, bezeichnete das Amateurvideo als "abscheulich“ und "unverzeihlich“. Er rief alle Muslime auf, "sich unserem gemeinsamen Feind zu stellen“. Die amerikanische Botschaft in Bagdad ist mit schätzungsweise 15.000 Mitarbeitern die weltweit größte diplomatische Vertretung der USA.

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Nach dem Tod ihres Botschafters in Libyen hatten die USA weltweit die Sicherheitsmaßnahmen für ihre Botschaften und Konsulate erhöht. So waren vor der Botschaft in der philippinischen Hauptstadt Manila Wachen und Polizei-Sonderkräfte mit Sturmgewehren zu sehen. Der US-Generalstaatsanwalt Eric Holder teilte am Donnerstag mit, dass das FBI die Ermittlungen im Fall des in Bengasi getöteten US-Personals aufgenommen habe.

Hinweise auf geplanten Angriff

Die US-Geheimdienste verfolgten ihrerseits Hinweise, wonach es sich bei dem Angriff auf die US-Vertretung in Bengasi in Libyen um einen gezielten Terroranschlag gehandelt haben könnte. Der Angriff sei "geplant, koordiniert, organisiert ausgeführt“ worden, erklärte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte dagegen, es sei noch zu früh für ein klares Urteil.

Das Pentagon verlegte unterdessen zwei Kriegsschiffe vor die libysche Küste. Aus US-Regierungskreisen verlautete, der Zerstörer "USS Laboon“ habe seine Position bereits am Mittwoch erreicht. Die "USS McFaul“ sei auf dem Weg und werde innerhalb weniger Tage ihr Ziel erreichen. Weiter hieß es, die Schiffe hätten keine konkrete Aufgabe. Sie gäben den Kommandeuren jedoch die Möglichkeit, flexibel auf jeden Einsatz zu reagieren, den der US-Präsident anordne.

Proteste als Ablenkung

Der Fernsehsender CNN berichtete unter Berufung auf US-Quellen, die Angreifer hätten die Proteste vor dem Konsulat als Ablenkungsmanöver genutzt. Ob die Angreifer die Proteste initiiert oder nur für ihr Vorhaben ausgenutzt hätten, sei allerdings unklar. Die Gewährsleute schlossen jedoch aus, dass der Angriff Botschafter Stevens galt, wie CNN am Mittwoch auf seiner Webseite berichtete.

Am Donnerstag telefonierte US-Präsident Obama mit den Präsidenten von Ägypten und Libyen, und forderte diese zur weiteren Zusammenarbeit beim Schutz des diplomatischen Personals auf. Obama habe dem libyschen Präsidenten Mohammed el Megarif für dessen Anteilnahme gedankt, teilte das Weiße Haus mit. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi verurteilte den Angriff in Ägypten bei einem Besuch in Brüssel scharf. Sein Land werde derartige Übergriffe nicht akzeptieren und mit aller Kraft verhindern, sagte er.

Obama erklärte am Mittwoch, seine Regierung betrachte Ägypten nicht als Verbündeten, aber auch nicht als Feind. Ägypten habe eine "neue Regierung, die versucht, ihren Weg zu finden“, sagte Obama in einem Interview mit dem spanischsprachigen Fernsehsender Telemundo. Falls diese zu unverantwortlichen Maßnahmen greifen werde, wäre dies "ein wirklich großes Problem“.

Vier Festnahmen nach Anschlägen auf US-Konsulat in Libyen

Die libyschen Behörden haben nach dem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi vier Verdächtige festgenommen. Die Männer befänden sich in Gewahrsam und würden befragt, sagte der stellvertretende Innenminister Wanis Scharif am Donnerstag. „Sie werden verdächtigt, bei den Ereignissen an dem Konsulat geholfen zu haben.“ Details nannte er nicht.

US-Präsident Barack Obama sagte während eines Wahlkampfauftritts in Colorado, er habe seine Regierung angewiesen, alles zu unternehmen, was zum Schutz der US-Bürger im Ausland nötig sei. Er entsandte zuvor zwei Zerstörer vor die libysche Küste. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, die US-Regierung habe nichts zu tun mit dem Video, dass sie als widerlich und verwerflich bezeichnete. Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte den Angriff auf das Konsulat in Bengasi und nannte den Vorfall eine Tragödie.

Mit Material von Reuters/dapd