Seit zehn Tage ist Xi verschwunden. Wichtige Treffen wurden ohne Begründung abgesagt. Das Außenministerium sagt, es habe keine Informationen.

Peking. Rätselraten um den chinesischen Spitzenpolitiker Xi Jinping: Seit zehn Tagen ist Xi verschwunden, Treffen mit Besuchern wie US-Außenministerin Hillary Clinton und Singapurs Ministerpräsident Lee Hsien Loong wurden ohne Begründung abgesagt. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Hong Lei sagte am Dienstag, er habe „keine Informationen“, als er zum Aufenthaltsort und Gesundheitszustand des Vizepräsidenten gefragt wurde.

Das lässt Raum für Spekulationen: Hat sich der 59-Jährige beim Sport verletzt und muss seinen Rücken auskurieren? War er in einen Autounfall verwickelt? Hat es ein Attentat von Anhängern des kaltgestellten Spitzenpolitikers Bo Xilai gegeben? Oder bereitet sich Xi, der als Chinas künftiger Präsident gehandelt wird, intensiv auf den für Oktober erwarteten Parteitag vor?

In Blogs und Websites rund um den Globus blühen die Gerüchte über den Verbleib Xis – der wirkliche Grund für seine plötzliche Abwesenheit könnte trotzdem unbekannt bleiben. „Seit langem besteht die Gepflogenheit, nicht über Krankheiten oder Probleme der (chinesischen) Elite zu berichten“, sagt Scott Kennedy, Direktor des Zentrums für Chinesische Politik und Wirtschaft der Universität Indiana in Peking. „Der Sinn dahinter ist, dass die Herausgabe solcher Informationen Spekulationen nur weiter anheizen würde.“

Die meisten Online-Mutmaßungen konzentrieren sich auf Xis Rücken. Der könnte demnach letzte Woche im Swimmingpool Schaden genommen haben oder auch bei einem Fußballspiel. Belastbare Quellen dafür existieren aber offensichtlich nicht. Weitaus dramatischer klingt, was die in der USA beheimatete Webseite Boxun.com berichtete: Xi sei bei einem Verkehrsunfall verletzt worden, den Verbündete des geschassten Bos inszeniert hätten. Die Webseite berief sich auf eine Quelle in der chinesischen Führung und meldete, auch ein anderes Mitglied des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüros sei bei einem ähnlichen Zwischenfall verletzt worden, He Guoqiang.

Boxun.com hat als Website von Exilchinesen in der Vergangenheit schon mehrmals politische Entwicklungen korrekt vorhergesagt, aber manchmal auch weit daneben gelegen. Der Bericht zum Unfall Xis wurde später durch einen ersetzt, nach dem Xi sich intensiv darauf vorbereite, die Parteiführung zu übernehmen.

In diesem Zusammenhang bekommt auch eine kryptische Bemerkung des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom Wochenende wieder Aufmerksamkeit. Den verspäteten Start des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) hatte Putin damit erklärt, dass der chinesische Präsident Hu Jintao wegen einer wichtigen, nicht näher benannten Angelegenheit nur verspätet anreisen könne.

Bisher ging die Welt davon aus, dass Xi beim 18. Parteitag zunächst den Vorsitz der Kommunistischen Partei und dann im kommenden Jahr auch den Posten des Staatspräsidenten übernehmen werde. Wang Xiangwei, Chefredakteur der Tageszeitung „South China Morning Post“, schrieb nun, dass Treffen von Chinas Führern üblicherweise sehr genau geplant und Absagen äußert selten seien. „Selbst wenn Xi jetzt persönlich eine merkwürdige Erklärung für die abgesagten Treffen abgeben würde, wüsste die Welt draußen nicht den genauen Grund und die Gerüchte würden kaum verklingen“, kommentierte Wang.

Ganz unsichtbar ist Xi aber nicht. Am Montag erschien zumindest sein Konterfei auf der Titelseite der Parteizeitung „Study Times“ neben einer Rede, die er am Tag vor seinem Verschwinden hielt. Darin empfahl Xi dem Nachwuchs, die Zeit mit kritischem Nachdenken über Fragen von nationaler Wichtigkeit zu verbringen anstatt „persönliche Kontakte auszubauen und Gäste zum Abendessen einzuladen“. (dapd)