Obama droht mit Militäreinsatz, falls Assad chemische Waffen einsetzen will. Syrische Führung nennt Drohung “Wahlkampfgeschwätz“.

Washington/Damaskus/Abu Dhabi. In Syrien ist eine japanische TV-Journalistin in einem Feuergefecht zwischen Armee und Rebellen getötet worden. Die 45-jährige Kriegsreporterin Mika Yamamoto starb in der hart umkämpfen Stadt Aleppo, als sie mit Aufständischen der Freien Syrischen Armee unterwegs war, wie der arabische TV-Sender Al Dschasira am Dienstag berichtete. Yamamoto arbeitete für die Nachrichtenagentur Japan Press. Die Reporterin, die mit der bedeutendsten japanischen Medienauszeichnung, dem Vaughn-Ueda-Preis dekoriert wurde, berichtete bereits aus anderen Krisengebieten wie Afghanistan und Irak.

In einem Telefonat mit einem japanischen TV-Sender sagte ihr Kollege Kazutaka Sato, der mit ihr in Syrien war, die Journalistin sei augenscheinlich von Regierungstruppen erschossen worden. „Wir sahen eine Gruppe von Leuten in Uniformen, die auf uns zu kamen. Es schienen Regierungssoldaten zu sein. Sie begannen wahllos um sich zu schießen. Sie waren nur 20, 30 Meter weit weg, vielleicht sogar noch näher“, sagte Sato den Angaben zufolge.

Syrien ist derzeit das wohl gefährlichste Land für Journalisten: Zwischen März 2011 und Juli 2012 wurden nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ 33 Medienschaffende getötet. Im Februar starben in Homs die bekannte amerikanische Kriegsreporterin Marie Colvin und der französische Fotograph Remi Ochlik. Auch der französische TV-Journalist Gilles Jacquier starb in der Stadt, er befand sich im Januar auf einer von der syrischen Regierung organisierten Reise.

Regierung und Rebellen beschuldigen sich gegenseitig, den Tod von Journalisten billigend in Kauf zu nehmen, um die Schuld der anderen Seite zuzuschieben. Der britische Fernsehjournalist Alex Thompson berichtete im Juni, syrische Rebellen hätten ihn absichtlich in eine Falle gelockt, damit er und sein Team von Regierungstruppen erschossen würden. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bislang mehr als 18.000 Menschen in dem Konflikt ums Leben gekommen, Zehntausende haben Syrien verlassen oder sind im Land auf der Flucht.

Währenddessen hat US-Präsident Barack Obama offen wie nie zuvor mit einem militärischen Eingreifen in Syrien gedroht, falls chemische oder biologische Waffen zur Gefahr für Verbündete wie Israel werden sollten. Er sprach von einer „roten Linie“. Vor Journalisten in Washington sagte er am Montag (Ortszeit): „Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass chemische oder biologische Waffen in die falschen Hände fallen“. Bisher habe er kein militärisches Eingreifen angeordnet. Aber die USA hätten „jedem Spieler in der Region“ unmissverständlich klargemacht, „dass es enorme Konsequenzen hätte, wenn wir an der Chemiewaffenfront Bewegung oder den Einsatz chemischer Waffen sehen“.

image„Das würde meine Kalkulationen erheblich ändern“, sagte Obama. Das Thema gehe nicht nur Syrien an. „Es betrifft unsere engen Verbündeten in der Region, darunter Israel. Es betrifft uns.“

Israel hatte schon vor Wochen die Sorge geäußert, die syrischen Massenvernichtungswaffen könnten in den Bürgerkriegswirren in die Hände von Extremisten der islamistischen Hisbollah im Libanon geraten. Außenminister Avigdor Liebermann bezeichnete ein solches Szenario damals ebenfalls als „rote Linie“ und „klaren Casus Belli ÄKriegsgrundÜ“.

Syrien soll über das größte Chemiewaffenarsenal im Nahen Osten verfügen und auch biologische Kampfstoffe besitzen. In ungekannter Offenheit hatte das Regime von Präsident Baschar al-Assad dies Mitte Juli eingeräumt, als weltweit die Angst wuchs, der bedrängte Machthaber könnte diese Waffen gegen die Aufständischen einsetzen. Schon damals warnte Obama Assad vor einem „tragischen Fehler“. „Die Welt schaut zu“ – und werde das Regime zur Verantwortung ziehen.

Der syrische Außenamtssprecher hatte damals versichert, die Waffen seien sicher gelagert unter dem Schutz der Armee. Sein Land werde die Massenvernichtungswaffen niemals gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzen. Sie seien einzig und allein zur Verteidigung im Falle eines Angriffs von außen gedacht. Die Aussagen waren international von Medien und Politikern als Drohung aufgefasst worden. Einen Tag später präzisierte das Regime seine Erklärung und versicherte, es werde niemals chemische und biologische Waffen einsetzen.

Der US-Geheimdienst CIA schätzt, dass Syrien über mehrere hundert Liter chemischer Kampfstoffe verfügt, unter anderem über Senfgas, Tabun und das Nervengas Sarin. Die USA haben den Verdacht, dass das Land für die Produktion technische Hilfe aus dem Iran erhält.

Obama unterstrich in der Pressekonferenz, dass Assad jegliche Legitimation verloren habe und abdanken müsse. Die internationale Gemeinschaft habe eine klare Botschaft ausgesandt. „Bisher hat er diese Botschaft nicht verstanden“, sagte der Präsident.

In Syrien wurde unterdessen in der erbittert umkämpften Metropole Aleppo am Montag eine japanische Journalistin getötet. Das bestätigte am Dienstag die Regierung in Tokio. Die 45-Jährige hatte jahrelang aus Konfliktgebieten wie Afghanistan und dem Irak berichtet. Wie die in London ansässige Gruppe Syrische Menschenrechtsbeobachter mitteilte, wurden drei andere Reporter vermisst.

Die syrische Führung hat die Drohung von US-Präsident Barack Obama mit einem Militärschlag zur Sicherung der Chemiewaffen als leeres Wahlkampfgeschwätz zurückgewiesen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana schrieb am Dienstag: „Dies ist Teil des Wahlkampfes zwischen dem republikanischen Kandidaten Mitt Romney und dem Demokraten Barack Obama.“

Sana kommentierte die Androhnung mit den Worten: „Obama hat wieder einmal Angst vor irgendwelchen Waffen verbreitet, von denen man viel hört und über die viel gelogen wird. Dabei hat er Hunderte von atomaren Sprengköpfen vergessen, die Israel besitzt, und die eine Bedrohung für die Sicherheit der Region darstellen.“

(dpa, epd, abenblatt.de)