Noch vor der Urteilsverkündung hat die Band Pussy Riot ein neues Lied gegen Präsident Putin veröffentlicht. Kritik aus Moskau an Deutschland.

Moskau. Die verurteilte Punkband Pussy Riot hat noch vor der Verkündung des Strafmaßes gegen drei ihrer Mitglieder am Freitag ein neues Protestlied gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin veröffentlicht. Ein Mitglied der mindestens zehnköpfigen Gruppe, das der Verhaftung bei der Protestaktion gegen den Staatschef Ende Februar in einer Kirche entkam, spielte das Lied vom Balkon eines Wohnhauses gegenüber dem Gerichtsgebäude, wo das Urteil gegen die drei jungen Frauen verlesen wurde. Dann warf die vermummte Frau CDs mit dem neuen Lied in die Menge. Wenige Stunden später tanzten Anhänger der Gruppe in der Nähe des Gerichtsgebäudes dazu, bevor die Aktion von der Polizei aufgelöst wurde. Etliche Menschen wurden festgenommen. Russland hat unterdessen Kritik aus westlichen Ländern am Urteil gegen die Musikerinnen zurückgewiesen.

In dem jüngsten Lied der Punkband wird sich über Putin wegen seiner angeblichen Schönheitsoperation lustig gemacht und der Politiker aufgefordert, den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko zu ehelichen. Im Refrain heißt es, Russland gehe auf die Straße, um das Regime zu verabschieden. Ein Moskauer Gericht hatte drei Mitglieder von Pussy Riot am Freitag zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Frauen hatten am 21. Februar bei einer Protestaktion in einer Kirche in einem „Punk-Gebet“ die Gottesmutter angerufen, den kurz darauf wieder zum Präsidenten gewählten Putin zu verjagen.

Nach dem Urteil hagelte es weltweit Kritik. Das Weiße Haus äußerte sich enttäuscht über die „unverhältnismäßigen Strafen“ gegen die drei Mitglieder der Band. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie habe den Prozess „mit Besorgnis“ verfolgt. Das Urteil von zwei Jahren Straflager stehe „nicht im Einklang mit den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, zu denen sich Russland unter anderem als Mitglied des Europarates bekannt hat. Eine lebendige Zivilgesellschaft und politisch aktive Bürger sind eine notwendige Voraussetzung und keine Bedrohung für Russlands Modernisierung“, betonte Merkel.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kritisierte die Entscheidung des Gerichts. „Zwei Jahre Haft für politischen Protest und ein Punk-Gebet in einer Kirche – diese Strafe ist zu hart“, schrieb Westerwelle in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung. „Viele fragen: Urteilt so ein Rechtsstaat? Ich verstehe alle, die Zweifel haben.“ Die Grünen-Sprecherin für Osteuropapolitik, Marieluise Beck, kritisierte die Haftstrafen für die Punk-Rockerinnen als „unverhältnismäßig“. Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer wertete das Urteil als „Zeichen der Schwäche“ der Putin-Regierung.

Russlands Regierung hat die Kritik indirekt zurückgewiesen. Der Sprecher des Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, sagte am Sonnabend der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, in Deutschland stünden auf die Störung von Kirchen bis zu drei Jahre Haft. Auch in Österreich sehe das Gesetz Gefängnisstrafen von bis zu sechs Monaten vor. Lukaschewitsch verwies auf die Paragrafen 166 und 167 im deutschen Strafgesetzbuch. Diese richten sich gegen die „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ sowie gegen die „Störung der Religionsausübung“.

Die russisch-orthodoxe Kirche bat die Behörden unterdessen um „Milde im Rahmen der Gesetze“ für die drei verurteilten Punkmusikerinnen. Der von Patriarch Kyrill I. geleitete Oberste Kirchenrat betonte in einer Erklärung von Freitagabend zugleich, die rechtliche Würdigung der Straftat liege „außerhalb der Zuständigkeit der kirchlichen Behörden“. Der Skandalauftritt von „Pussy Riot“ in der russisch-orthodoxen Hauptkirche stelle eine „schwere Sünde“ dar. Die Gefühle von Millionen Gläubigen seien verletzt worden.

Mit Material von dpa und kna